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THTR Rundbrief Nr. 132, Juli 2010
Inhalt:
Südafrika: Weltmeister der Verschwendung?
Atomanlage "Angra 3", Brasilien
HTR in Polen geplant?
Herter: Marcig-Rechts
Südafrika: Weltmeister der Verschwendung?
Etwa eine Milliarde Euro hat die Entwicklung des Pebble Bed Modular Reactors (PBMR) in Südafrika in den letzten Jahren gekostet. Das sind 70 Prozent der Kosten für den Neubau der FIFA-Stadien für die Fußballweltmeisterschaft (1). Trotz des immensen Mitteleinsatzes endete der Versuch, einen Hochtemperaturreaktor in Afrika zu bauen, im Fiasko.
Bereits im Januar 2009 wurden die in Südafrika mit deutscher Hilfe gefertigten radioaktiven Kugelbrennelemente für den PBMR per Schiff in die USA gebracht, um dort mit ihnen weiter zu experimentieren (2). Die Belegschaft der halbstaatlichen PBMR-Gesellschaft wird bis Ende 2010 von 800 Mitarbeitern auf 200 reduziert. Inzwischen resignierten viele Mitarbeiter und haben sich neue Arbeitsstellen in anderen Staaten gesucht.
Im Juni 2010 wurde bekannt gegeben, dass die Mitarbeiterzahl noch einmal auf lächerliche 25 reduziert werden soll, um bei geringem Buget wenigstens die nächsten ein oder zwei Jahre als aufgepäppelte Briefkastenfirma weiterexistieren und rudimentäre Knowhow-Pflege betreiben zu können (3).
Jede Menge Mängel und Probleme
Südafrika muss sparen. Armut, Aids und Kriminalität machen dem Land zu schaffen. Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Neue Investoren für das umstrittene Projekt sind nicht in Sicht. Inzwischen wird in den Medien die mit der Entwicklung des PBMR einhergehende Verschwendung und das Missmanagement offen kritisiert und diskutiert. "Mail & Guardian Online" (4) listete im April 2010 eine ganze Reihe von organisatiorischen Problemen und Mängeln bei der Entwicklung des PBMR auf: - Streitereien zwischen PBMR-Managern und der Nuklear-Aufsichtsbehörde, unautorisierte Auftragserteilungen, unrealistische Antragsstellungen. - Vertragspartner überschritten oft den vereinbarten Kostenrahmen. - Um anderen Staaten den Pleitereaktor aufzuschwatzen, fand eine umfangreiche Reisetätigkeit von PBMR-Managern in der ganzen Welt statt; teuerste Hotels wurden frequentiert. Der Manager Ferreira gab an, dass die Reisekosten "nur" weniger als 1 Prozent der bisherigen PBMR-Kosten ausgemacht hätten. Nicht ganz 10 Millionen Euro Reisekosten sind sicherlich nicht wenig. - Die Anzahl der Mitarbeiter wurde künstlich hochgetrieben, weil die in Südafrika vorgeschriebenen Antidiskriminierungsmaßnahmen befolgt werden müssen. Statt 800 Beschäftigte hätten 300 bis 400 ausgereicht. - Die Methoden des ehemaligen Chef-Managers Jaco Kriek waren umstritten, weil er die zahlreichen Interessenkonflikte nicht bewältigen konnte. - Selbst Johan Slabbert, PBMR Chief Technology Officer, gab zu, dass die südafrikanische Atomindustrie noch zu unterentwickelt sei, um ein anspruchsvolles Projekt wie den Hochtemperaturreaktor stemmmen zu können.
Der Rückzug vom Pleitereaktor
Die südafrikanische Ministerin Barbara Hogan gab während einer Parlamentsdebatte (5) zu, dass es das geplante PBMR-Projekt nur bis zur Forschungs- und Entwicklungsphase geschafft hat und noch weit von der Fertigstellung eines realen Reaktors entfernt war. Trotz dieser Rückschäge soll sich die Energiepolitik ihrer Meinung nach auch ich Zukunft an nuklearen Vorbildern orientieren. Das werden dann wohl Druckwasserreaktoren sein.
Am 1. Juni 2010 teilte die südafrikanische Atomaufsichtsbehörde dem Parlament mit, dass die PBMR-Gesellschaft den Antrag auf Errichtung eines Hochtemperraturreaktors zurückgenommen hat (6)! Damit wurde der hoffentlich endgültige Abschied von einer Reaktorlinie eingeläutet, die noch zu Apartheidszeiten von Vertretern der Vereinigten Elektrizitätswerken (VEW) aus Dortmund dem damaligen verbrecherischen Regime schmackhaft gemacht worden ist. Immerhin hat Südafrika jetzt einen Vorteil gegenüber der BRD: Es hat keine strahlende Reaktorruine wie den THTR Hamm, auf dessen Atommüll tausende von Jahren aufgepasst werden muss.
Der depremierten Atomgemeinde ist mit dem Kugelhaufenreaktor in Südafrika ein wichtiges Prestigeobjekt aus den Händen geglitten. Das für den 18. bis 20. Oktober in Prag geplante "5th International Conference on High Temperature Reactor Technology HTR" stand angesichts der neuesten Ereignisse zunächst auf der Kippe, wird aber mit reduziertem Programm doch noch stattfinden (7). Jetzt ist wohl bei den Atomikern "Wunden lecken" angesagt.
- "Fin24" vom 26. 5. 2010
- Siehe "THTR-Rundbrief" Nr. 131, "PBMR: Das vorletzte Aufgebot -- mit Obama-Dollars!"
- "Engineering News" vom 4. 6. 2010
- "Mail & Guardian Online" vom 23. 4. 2010
- Aus: http://www.pmg.org.za/briefing/20100415-minister-public-enterprises-media-briefing-budget-speech
- Siehe 3
- Siehe: www.htr2010.eu
Atomanlage "Angra 3", Brasilien:Auf der Westerwelle zu den Atom-Nazis und zurück |
Als im März 2010 Außenminister Guido Westerwelle Südamerika bereiste, stellte es zunächst nichts Besonderes dar, dass er von zahlreichen Konzernvertretern begleitet wurde, um neue Geschäfte anzubahnen. Dies haben viele andere Regierungschefs und Minister zuvor ebenfalls gemacht. Es wird auch niemanden in Erstaunen versetzen, dass Westerwelle der Atomindustrie gerne zu neuen Aufträgen im Ausland verhilft. Erstaunlich ist es allerdings, wie gradlinig Westerwelle innerhalb historischer Kontinuitäten agiert, die bis in die Zeit des Faschismus zurückgehen, als deutsche NS-Wissenschaftler Nuklearforschung für den "Endsieg" betrieben.
2,5 Milliarden Euro Hermesbürgschaft
"Westerwelle habe sich ,massiv' für die Atomwirtschaft eingesetzt und das deutsch-brasilianische Nuklearabkommen von 1975 ,voll bestätigt'" zitierte die TAZ (1) Ulrich Gräber, den mitreisenden Geschäftsführer des französisch-deutschen Atomunternehmens Areva, an dem Siemens ein Drittel Anteile hält. Es geht unter Anderem um den Weiterbau des brasilianischen Meilers Angra 3 durch Areva/Siemens und um die 2,5 Milliarden-Hermesbürgschaft des deutschen Staates für dieses umstrittene Projekt. Umstritten "nicht nur, weil sich Brasilien weigert, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Sondern auch, weil es in dem Land keine unabhängige Atomaufsicht gibt" (2). Brasilien versteht sich mittlerweile als weltweit agierender Akteur in der Nuklearpolitik und versucht sich als Vermittler im Iran-Konflikt zu profilieren -- mit durchaus eigenen Interessen.
Von 1964 bis 1985 herrschte in Brasilien eine Militärdiktatur. Ausgerechnet in Angra, dem einzigen erdbebengefährdeten Gebiet Brasiliens, sollten die drei Atommeiler gebaut werden. "Weder die Landrechte der Einheimischen wurden anerkannt, noch gab es eine offene Diskussion mit der Bevölkerung" (3) berichtete der Leiter der Umweltorganisation SAPE, Rafael Ribeiro. "Das Atomkraftwerk Angra 1 kostete sechs Milliarden US-Dollar; Angra 2 weitere 14 Milliarden US-Dollar" (4) bezifferte Greenpeace die Kosten.
Militärdiktatur, Repression und Schulden
Ökonomisch waren Angra 1 und 2 für das hochverschuldete Brasilien ein Desaster. "Der Wert des deutsch-brasilianischen Nuklearpakets erreichte 1979 etwa 45 Milliarden Dollar. Wie dieser Betrag in Anbetracht der hohen Verschuldung des Landes bezahlt werden könnte, darüber hatte die Bonner Regierung allerdings wohl nicht nachgedacht; nur die Finanzierung des ersten in Angra zu bauenden Reaktors schien gesichert" (5). Selbst unter der Diktatur des General "Alemano" Geisel regte sich Kritik an dem nuklearen Jahrhundertvertrag. Doch diese wurde unterdrückt: "Für Pressezensur sollte gesorgt werden. Kampffonds der in Lausanne beheimateten Exportkartelle der deutschen Elektroindustrie - IEA -- begannen die brasilianische Repression zu finanzieren. Geisels Diktatur war das Lieblingskind deutscher Konzerne. Peter von Siemens verkehrte persönlich beim Diktator in Brasilia" (6).
Die Bauzeit für Angra 2 betrug 25 Jahre! Der Meiler wurde erst im Jahre 2000 fertiggestellt. "Mit Angra 3 war 1984 begonnen worden. Zwei Jahre später wurde er eingestellt. Seither lagern die Bauteile tropengeschützt verpackt und verursachen jährliche Kosten von 15 Millionen Euro" (7). Genau diese eingemotteten Ruinenteile sollen jetzt als Resultat der Reise von Westerwelle wieder reanimiert werden.
Auf Genschers Spuren: Nuklearliberale Kontinuitäten
Bei seinen nuklearen Unterstützungstouren wandelt Westerwelle auf den Spuren seines liberalen Vorgängers Hans-Dietrich Genscher, der von 1969 bis 1974 Innenminister und danach bis 1992 Außenminister war. Als Innenminister war Genscher auch für "Umweltschutzmaßnahmen" zuständig. In diese Zeit, im Jahre 1972, fiel ein Besuch von sechzig Offizieren der brasilianischen Militärdiktatur im Kernforschungszentrum von Jülich, wo gerade Uranzentrifugen in Betrieb genommen und brasilianische Wissenschaftler ausgebildet wurden. Drei Jahre später unterschrieben Außenminister Genscher und sein brasilianischer Amtskollege Azeredo da Silveire den deutsch-brasilianischen Atomvertrag, der acht Reaktoren, Urananreicherung und Wiederaufarbeitung umfasste. 1976 erfolgte das Finanzierungsabkommen mit der Kreditabsicherung durch Hermesbürgschaften durch Deutschland. 1978 bekundete Juntachef Geisel bei einem Besuch in Bonn ebenfalls Interesse am THTR.
Das Ziel: Atomwaffen
Brasilien hat die sechstgrößten Uranvorkommen der Welt und insgesamt eine Milliarde Dollar in die Wiederaufarbeitungstechniken gesteckt. Nicht nur, um die Anreicherungskosten von Uran um 30 Prozent zu senken, sondern um Atombomben bauen zu können. Bei der Inspektion der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO in der Urananreicherungsanlage Resende 160 Kilometer von Rio de Janeiro erhielten im Jahre 2004 die Inspektoren zu zentralen Teilen der Anlage keinen Zugang (8). "Während der Iran wegen seines Atomprogramms von seiten der Westmächte unter US-Führung massiv unter Druck gesetzt wird, eröffnet Brasilien ohne den geringsten Anstoß zu nehmen ein Zentrum zur Urananreicherung. (...) Brasilien ist auf einem Weg, der dem des Irans sehr ähnlich ist, aber der Iran bekommt die ganze Aufmerksamkeit" (9).
Nazi-Wissenschaftler helfen beim Aufbau des brasilianischen Atomprogramms
Wie man sich um gründliche internationale Nuklearkontrollen herummogelt, das hatte die BRD im Jahre 1967 vorgemacht, als es darum ging, die Unterzeichnung des Atomsperrvertrages hinauszuzögern und für die BRD durch einschränkende Zusatzklauseln abzuschwächen. Robert Jungk schrieb in seinem Buch "Atomstaat" dazu: "Die Bundesrepublik Deutschland leistete von Anfang an energischsten Widerstand gegen intensive Inspektionsmaßnahmen, wie sie vor allem Washington durchsetzen wollte" (10).
Genscher, selbst viele Jahre lang Mitglied im deutschen Atomforum, war eng befreundet mit Karl Winnacker, der während des 2. Weltkrieges Generaldirektor der berüchtigten IG Farben war (11). Winnacker wurde nach 1945 Präsident des Deutschen Atomforums und führendes Mitglied in diversen anderen Atomkommissionen. In dieser Eigenschaft arbeitete er die Einschränkungen aus, unter denen die BRD den Atomsperrvertrag 1969 letztendlich doch noch unterschrieb.
Der brasilianische Historiker Otto Buchsbaum beschreibt die Vorgeschichte der nuklearen Kooperation zwischen Nazi-Deutschland und Brasilien sowie die Rolle von Karl Winnacker folgendermaßen:
"10. und 11. August 1944: Versammlung deutscher Wirtschaftführer und Naziexperten in Straßburg im Hotel Maison Rouge. Besprechung, was man in Deutschland mit Hinsicht auf die schon unvermeidliche Niederlage machen kann. Wie man die deutsche Industrie, Banken, Nazi-Kader und Machtstrukturen in die Nachkriegszeit hinüberretten kann. Auch wie man die Forschung -- speziell Atom- und Raketenforschung -- für das künftige Deutsche Reich bewahren kann. Geldmittel in internationalen Devisen wurden mobilisiert, Gold und Diamanten der SS, hauptsächlich aus den Konzentrationslagern kommend, alles zusammen mehr als 500 Mio Dollar -- alles wurde geplant, wie man es ins Ausland bringen könnte um dort Besitz zu kaufen, Firmen zu gründen und Hilfe für die Naziflüchtlinge zu organisieren. Bei den deutschen Wissenschaftlern wurde geplant, wer riskieren konnte, in Deutschland zu bleiben und wer flüchten musste. (...) Darunter: (...) Karl Winnacker, Wilhelm Groth (...)" (12).
8 Jahre nach dem 2. Weltkrieg baute die BRD bereits neue Uranzentrifugen!
Bereits im Jahre 1946 knüpfte der brasilianische Admiral und Physiker Avaro Alberto nach Rücksprache mit seiner Regierung Kontakte zu deutschen Stellen, um in den Besitz atomarer Technologie zu gelangen. Der General reiste 1953 erneut nach Deutschland, wo er studiert hatte und traf sich mit dem ehemaligen SA-Mann Wilhelm Groth, später Arbeitsgruppenleiter in der Kernforschungsanlage Jülich. "Die durch die Auflagen der Alliierten fast stillgelegte deutsche Atomforschung konnte nur unter erheblichen Schwierigkeiten fortgesetzt werden. Der Admiral erschien geradezu als ,Retter' -- Professor Groth soll zu ihm gesagt haben: ,Besorgen Sie das Geld und wir bauen die Prototypen. Später gehen wir nach Brasilien und bauen dort die Ausrüstung.' (...)
Der Admiral kehrte nach Brasilien zurück und bemühte sich dort um die erforderlichen Finanzmittel. Anstelle eines offiziellen Verkaufsvertrages hatten die deutschen Partner zur Finanzierung des Projektes 80.000 US-Dollar für angebliche Forschungszwecke verlangt. (...) Über die Deutsch-Südamerikanische Bank wurden die 80.000 Dollar auf das Konto des Instituts für Physik und Chemie der Universität Bonn überwiesen. Die Finanzierung der drei Uranzentrifugen war gesichert. Die Teile der Zentrifugen wurden an verschiedenen Orten gebaut. Die Ultrazentrifugen mussten nach ihrer Fertigstellung jedoch nach Brasilien geschafft werden. Auf geheimem Wege schaltete der Admiral daher das brasilianische Außenministerium ein. Aber weniger als 12 Stunden später waren die Zentrifugen beschlagnehmt: Ein verstärktes Militäraufgebot des 'Military Board of Security' hatte sie sichergestellt. (...)
Die Ultrazentrifugen verblieben weiterhin in Göttingen, wo sie von einer reaktorphysikalischen Arbeitsgruppe fertiggestellt worden waren. Erst nach nach Beendigung der Okkupation, während der Amtszeit von Franz-Josef Strauß als erstem Bundesminister für Atomfragen, gelangten die Zentrifugen schließlich nach Brasilien." (13). Kurz zuvor wurde Karl Winnacker im Januar 1956 stellvertretender Präsident der von Strauß eingesetzten Atomkommission. Von hier aus bis zu den nachfolgenden nuklearen Kooperationen zwischen Brasilien und den Nazi-Wissenschaftlern in den Kernforschungszentren Jülich und Karlsruhe in den 60er und 70er Jahren ist es nicht mehr weit. Wir haben im THTR-Rundbrief ausführlich in drei Ausgaben darüber berichtet (14). Der Kreis schließt sich, indem Altnazi Winnacker Außenminister Dietrich Genscher auf den rechten nuklearen Weg weist und dieser wiederum den strahlenden Brennstab an seinen Nachfolger Guido Westerwelle weitergibt.
Rot-Grün erstrahlt!
Dazwischen klafft eine kleine Lücke von 9 Jahren Rot-Grün. Was ist während dieser Zeit passiert? Im Jahre 2004 liefen die Hermesbürgschaften für die Atomprojekte aus und hätten entweder gekündigt oder erneuert werden müssen. Aber der zu Konzernen immergute Außenminister Joschka Fischer blockte konsequentes Vorgehen gegen die zur Disposition stehenden Nuklearvereinbarung ab und schickte eine höfliche, rechtlich völlig unverbindliche diplomatische Note nach Brasilien (15). Die Chance, dem nuklearen Spuk ein Ende zu bereiten, war vertan. Wer hätte etwas anderes erwartet? - Sechs Jahre später, die Grünen sind in der Opposition, ist die Aufregung bei neuen Hermesbürgschaften plötzlich riesengroß und die grüne Bundestagsabgeordnete Ute Koczy hinterfragt besorgt (16), was Joschka in der Vergangenheit ohne mit der Wimper zu zucken durchgewunken hatte. Gute Geschäfte für die Atomindustrie darf man nicht stören, sonst ist man nicht mehr lange Außenminister.
Arische Atombomben?
Das Bundeswirtschaftsministerium hat für Angra 3 ein Gutachten an das halbstaatliche Istec-Institut in Auftrag gegeben und das gewünschte Ergebnis erhalten: Agra 3 soll angeblich sicher sein. Die Umweltorganisationen "Urgewald" und Greenpeace halten das Gutachten für bruchstückhaft und unsystematisch und fordern, die Zusage für den Exportkredit zu widerrufen. Doch die angeblich zivile Atomkraft untersteht dem Militär. Die brasilianische Urananreicherung ermöglicht den Bau von Atombomben und hochtrabende, autoritäre Allmachtsphantasien, die schon die Faschisten in Deutschland hatten. "1986 wurde in einer Luftwaffenbasis in den Bergen von Cachimbo in Para ein künstliches Loch von 320 Metern Tiefe entdeckt, das genau dieselbe Charakteristik hat, wie es für ein unterirdisches Atombombentestgelände notwendig ist" (17).
In Brasilien regiert seit 2002 Präsident Lula da Silva, der in vielen Medien als "gemäßigt Links" bezeichnet wird. Er regiert in fast allen wichtigen ökologischen und sozialen Fragen gegen die elementaren Interessen der großen Mehrheit des Volkes. Wie es um seinen geistigen Horizont bestellt ist, hat er klargemacht, als er noch nicht ein Regierungsamt innehatte: "Hitler irrte zwar, hatte aber etwas, das ich an einem Manne bewundere - dieses Feuer, sich einzubringen, um etwas zu erreichen. Was ich bewundere, ist die Bereitschaft, die Kraft, die Hingabe" (18).
Hitlers "Mein Kampf" findet in Brasilien reißenden Absatz. "Keineswegs überraschend - denn das Tropenland ist von Antisemitismus gezeichnet, bot zahlreichen Kriegsverbrechern Unterschlupf und hat auffällig viele Hitler-Sympathisanten. Nicht wenige Brasilianer tragen amtliche Vornamen wie Hitler, Himmler oder Eichmann" (19). Auch hier schließt sich der Kreis.
- TAZ vom 13. 3. 2010
- Freitag vom 18. 3. 2010
- Neues Deutschland vom 9. 1. 2007
- Neues Deutschland vom 19. 6. 2006
- Kurt Rudolf Mirow in "Diagnosen", Nr. 10, 1981, Seite 15
- Siehe unter 5.
- TAZ vom 29. 6. 2007
- Frankfurter Rundschau vom 30. 10. 2004
- Junge Welt vom 25. 4. 2006
- Robert Jungk in "Der Atomstaat" (1977), Seite 153
- Otto Buchsbaum "Atomkraft und Faschismus. Vorgeschichte und Hintergründe des Deutsch-Brasilianischen Atomvertrages" (1980), Seite 28
- Siehe unter 11., Seite 21
- "Das deutsch/brasilianische Bombengeschäft", Sondernummer der "Lateinamerika Nachrichten" (1980), Seite 14 und 15
- THTR-Rundbrief Nr. 112, Nr. 113, Nr. 114
- "Atomvertrag nur ein wenig gekündigt", TAZ vom 10. 11. 2004
- TAZ vom 21. 4. 2010
- Siehe unter 4.
- Deutschlandradio vom 1. 10. 2007
- Siehe unter 18.
HTR in Polen geplant? |
Vom 2. bis 6. Mai 2010 fand in Freiberg der Energiekongress "4th Freiberg Conference" der TU Bergakademie Freiberg statt. Im Jahre 1765 als Ausbildungsstätte für Bergleute gegründet, wurde an dieser Akademie innerhalb von zwei Arbeitsgruppen über den möglichen Einsatz von Hoch-Temperaturreaktoren sinniert.
Die Namen der Referenten sprechen für sich: Kugeler, Verfordern, Lensa (alle vom FZJülich), Hurtardo. Bemerkenswert war die Teilnahme von den polnischen Referenten Pienkowski und Cetnar, die ebenfalls zur HTR-Technologie sprachen. Die neueste Version, warum die Welt HTR's so dringend benötigt, lautet jetzt: Man will Ölkatastrophen wie im Golf von Mexiko durch Erdölverzicht und Ausbau der Atomenergie verhindern (Freie Presse vom 5. 5. 2010).
Der Kernphysikprofessor Konrad Czerski hat unterdessen mit dem polnischen Universitätsrektor von Szczecin (Stettin), Tarczynski, ein "Argumentationspapier" erarbeitet, das für Polen den Bau von HTR's in Westpommern vorschlägt, um sie mit Kohlekraftwerken zu koppeln (Märkische Oderzeitung vom 21. 6. 2010).
Herter: Marcig-Rechts |
Der sich bisher in der Öffentlichkeit als smart-halblinks darstellende neugewählte Hammer Landtagsabgeordnete Marc Herter gilt als aufsteigender Stern am sozialdemokratischen Himmel und durfte sogar im Tross der taktisch nicht allzubegabten Koalitionspokerrunde mit Hannelore Kraft mitziehen. Der neue Parteivize hat in Hamm bei den Erststimmen 4,5 Prozent mehr als seine SPD erhalten.
Da wohl kaum anzunehmen ist, dass die zusätzlichen Stimmen in nennenswerter Anzahl von CDU- und FDP-Wählern kommen, werden es die etwa 2.000 grünen und die 500 linken Wähler gewesen sein, die von dem angeblich kleineren Übel absolut nicht lassen konnten und nicht den zugehörigen Parteikandaten passend zur auserkorenen Zweitstimmenpartei gewählt haben. Das Kalkül, auf diese Weise womöglich eine rosa-rot-grüne Koalition herbeizuwählen oder ausgerechnet mit der Wahl des Abgeordneten einer Hartz IV-Partei irgendetwas Gutes zu bewirken, erwieß sich schon am zweiten (!) Tag nach der Wahl als voraussehbarer, folgenschwerer Irrtum.
Er posaunte am 11. Mai 2010 in der TAZ hinaus: "'Wir haben den Führungsanspruch.' Allerdings scheint der Parteivize eine Ampelkoalition mit den Liberalen einem rot-rot-grünen Bündnis vorzuziehen: ,Wir dürfen die FDP nicht aus ihrer staatspolitischen Verantwortung entlassen', betont Herter." Er gehörte also mit zu den ersten Sozialdemokraten, die nach der Wahl in öffentlichen Verlautbarungen der Linken die kalte Schulter zeigten und deutlich machten, dass sie lieber mit einer sich in NRW besonders hervortuenden Nuklearlobby (1) koalieren würden. Es hätte ihm auch nichts ausgemacht, mit einer Partei zu koalieren, in der im NRW-Landtag jahrzehntelang (!) viele ausgewiesene Nazigrößen in führenden Positionen tätig waren (2). Die sozialere und ökologischere Alternative einer Koalition mit der Linkspartei (und den Grünen) war für den ehemaligen Jusovorsitzenden genauso undenkbar wie für Hannelore Kraft, die nach einem einzigen Scheingespräch mit der Linkspartei versuchte, vorsätzlich und hinterhältig den ungeliebten parteipolitischen Konkurrenten in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Das geschah allerdings so offensichtlich, dass es eher der SPD geschadet hatte.
Da die Volksparteiruine SPD in ihrem Stammland noch einmal 2,6 Prozent gegenüber dem blamablen Absturz von 2005 verlor und ihr schlechtestes Wahlergebnis seit der Existenz der BRD eingefahren hatte, verkam ihr nach der Wahl angestimmtes anmaßendes Triumphgeschrei zur irrwitzigen Showeinlage. Die NRW-Landesgruppe gehört zum reaktionärsten Teil der Standortchauvinistischen Partei Deutschlands. Hier wurden während der rotgrünen Koalition von 1995 bis 2005 parteiintern geradezu Wettbewerbe ausgetragen, wer Landesmeister im Grünen- und Ökologenquälen werden würde. Hannelore Kraft war ein politisches Ziehkind von Clement, der vor einigen Jahren die SPD verlassen hatte, weil sie ihm als zu "Links" erschien.
Von einem linksreformistischen Anspruch Ypsilantis, die eine rosa-rot-grüne Koalition ernsthaft versucht hatte, ist sie meilenweit entfernt. Mit seinen Äußerungen hat sich Marc Herter im NRW-SPD-Betonkopfmainstream positioniert. Sein weiterer Weg ist vorgezeichnet; er wird den Weg aller Opportunisten gehen. - Und die Wähler des "kleineren Übels", werden sie jemals klüger handeln?
- Siehe "THTR-Rundbrief" Nr. 110, Nr.115, Nr.116
- www.sagel.info/service/DasvergessenebrauneErbe.pdf
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