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THTR Rundbrief Nr. 143, Juni 2014
Inhalt:
NRW-Grüne: Empörung über Nuklearforschung in Jülich erst nach 14 Jahren eigener Untätigkeit
25 Jahre nach der THTR-Stilllegung: Jülich muß THTR-Forschung aufgeben!
Weitere Messergebnisse von Kügelchen am THTR
Kohlekraftwerk Hamm: Panne im Kopf und in Block D
Kriminalfall THTR in Jülich:
Manipulieren, pfuschen und täuschen mit Hilfe der SPD-Landesregierung als Aufsichtsbehörde!
Eine vom Forschungszentrum Jülich (FZJ) selbst eingesetzte Expertenkommission hat in einem 167 Seiten umfassenden Gutachten nach drei Jahren Recherche festgestellt, dass während der Betriebszeit des Hochtemperaturreaktors in Jülich - auch „Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor“ (AVR) genannt - schwere Störfälle und ebenso schwerwiegende Manipulationen und Vertuschungen der Betreiber stattgefunden haben. Außergewöhnlich ist ebenfalls, dass Tageszeitungen der Region sowie die „Rheinische Post“ aus Düsseldorf, die jahrzehntelang eher Sprachrohr der THTR-Lobby waren, inzwischen zum Teil außergewöhnlich kritisch und ausführlich berichten. - Bahnt sich da etwa ein Paradigmenwechsel an?
Die Vorwürfe wiegen umso schwerer, da von der vierköpfigen Expertengruppe auch zwei Befürworter der Atomenergie dabei waren. Somit handeln sich die Ergebnisse um einen leicht weichgespülten Kompromiss, was die Aussagen selbst allerdings nicht weniger schockierend machen. Während die rotgrüne NRW-Landesregierung bisher nichts zur Aufklärung beigetragen hat und dieses Gutachten nicht (!) in Auftrag gegeben hat, sah sich das FZJ durch fortlaufenden öffentlichen Druck und immer neue veröffentlichte Details durch den Whistleblower Rainer Moormann dazu gezwungen, die Flucht nach Vorne anzutreten und selbst ein Gutachten in Auftrag zu geben.
Der Mini-THTR mit 15 MW Leistung steht auf dem weitläufigen Gelände des Forschungszentrums und war von 1967 bis 1988 in Betrieb. Während dieser Zeit lief der Reaktor mit überhöhten, sicherheitstechnisch hochriskanten Temperaturen, wurden von der Belegschaft Sicherheitsschalter manipuliert und Störfälle vertuscht. 1978 fand ein großer Störfall statt, der unberechtigter Weise von skrupellosen Wissenschaftlern und Verantwortlichen in die niedrigste, statt in die höchstmögliche Kategorie eingeordnet wurde. Das alles geschah mit Billigung der NRW-Regierungspartei, um ein Prestigeobjekt der Atomindustrie und der SPD-Landesregierung nicht in Verruf zu bringen und um viele hundert weitere Millionen Euro dem Steuerzahler für diese Pleitetechnologie entwenden zu können.
Und auch das Verhalten der NRW-Grünen ist kein Ruhmesblatt, wie die Aachener Zeitung am 26. April 2014 feststellte: „Seit 2010 haben die Grünen in NRW eine seltsame Wandlung vollzogen. Forderten sie in früheren Jahren noch vehement Aufklärung über die Jülicher Nuklearexperimente, haben sie dieses Thema zu den Akten gelegt, seitdem sie in Regierungsverantwortung sind“.
„Blindflug durch ein hochgefährliches Experiment“ (Zitat aus: „Aachener Nachrichten“)
Welche Dimensionen diese haarsträubenden, über mehrere Jahrzehnte währenden Skandale umfassen, macht Christian Küppers, der Vorsitzende der Expertengruppe, in einem Interview mit den Aachener Nachrichten am 26. April 2014 deutlich: „Vorher habe ich mir nicht vorgestellt, dass man an so eine gefährliche Technik in Deutschland so herangeht.“
Auf die Frage, „was hat Sie zusammenfassend besonders geschockt?“ antwortete er: „Das sind mehrere Dinge, aber vor allem die Schlechtigkeit der Überwachung – mit Blick auf den Aktivitätsfluss in der Anlage, die Kontrolle der Temperatur, bis 1981 die Kontrolle des Abbrands der Brennelemente. Das reicht bis zur Strategie der Befüllung der Anlage, die man hinterfragen muss“.
Auf insgesamt drei Seiten berichteten die „Aachener Nachrichten“ am 26. April 2014 ausführlich über die Versäumnisse der Aufsichtsgremien und die Kumpanei der Regierungspolitiker mit der Atomindustrie. Wir dokumentieren dies etwas ausführlicher.
Zitat aus „Aachener Nachrichten“ vom 26. April 2014:
Zur Rolle der Aufsichtsgremien hat Christian Küppers eine klare Auffassung: „Die Aufsichtsbehörde war sich im Klaren darüber, was am AVR so vor sich geht. Aber sie hat es toleriert.“ Der Leiter der Expertengruppe kann das „nicht nachvollziehen“ und findet keine Gründe: „Ich weiß auch nicht, ob das auf den rheinischen Klüngel zurückzuführen ist ...“.
Spätestens nach dem Zwischenfall 1978 hätten die Kontrollgremien auf die gefährlichen Experimente in Jülich reagieren müssen. Das geschah aber nicht, obwohl die von den Manipulationen an den Sicherheitssystemen des AVR-Reaktors wussten. Es liegt die Vermutung nahe, dass die zuständigen Behörden nicht tätig wurden, weil zu befürchten war, das gesamte Jülicher AVR-Projekt zu gefährden.
Aus einem Schriftwechsel zwischen dem zuständigen Düsseldorfer Ministerium, dem Bundesinnenministerium und den Jülicher Forschern geht hervor, dass die behördliche Aufsicht umfassend informiert war. Am 21. Juli 1978 wird in einem internen Bericht des NRW-Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales von Minister Friedhelm Farthmann (SPD) bemerkt, „dass der Grenzwert der Feuchte im Primärkühlmittel, bei dessen Überschreitung der Reaktor über eine Sicherheitsschaltung automatisch abgeschaltet wird, im laufenden Jahr zu höheren Werten verstellt worden ist“. Eine Genehmigung dieser Veränderung sei nicht eingeholt worden. Auch Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) wurde über die Vorgänge in Jülich informiert.
Noch im Juli trifft das zuständige NRW-Ministerium eine bemerkenswerte Entscheidung, mit der es die Jülicher Forscher in Schutz nimmt. Das Ministerium verheimlicht die Manipulationen am Jülicher Reaktor: „Eine Unterrichtung der Öffentlichkeit wird nicht für erforderlich gehalten“, heißt es in einem internen Bericht, der unserer Zeitung vorliegt. Eine Veröffentlichung der Vorkommnisse könne „zu spekulativen Fehlinterpretationen führen“, weil Vergleiche zu einem Zwischenfall im AKW Brunsbüttel nahelägen.
Zitatende.
Moralischer Bankrott des Wissenschaftsbetriebes – bis heute!
In der gleichen Ausgabe der „Aachener Nachrichten“ vom 26. April 2014 bewertet der Kommentator Christian Rein das Verhalten der Verantwortlichen im Forschungszentrum Jülich und in der RWTH Aachen sehr zutreffend.
Zitat aus „Aachener Nachrichten“ vom 26. April 2014:
„Offensichtlich war die Technik des Kugelhaufen-Reaktors viel weniger ausgereift, als es deren Verfechter über Jahrzehnte hinweg glauben machen wollten. Das alleine reicht als Erklärung nicht aus. Was den Befund der Expertengruppe so bestürzend macht, ist die menschliche Komponente.
Den Vertretern des Kugelhaufen-Konzepts werden „Verhaltensweisen“ attestiert, „die einerseits ein ausgeprägtes Überlegenheitsgefühl aufwiesen, die andererseits aber auch eine unzureichende Fähigkeit zur Selbstkritik und eine Unterschätzung der Schwachstellen beim Kugelhaufen-Konzept und bei konkreten Anlagen erkennen ließen“. Ein vernichtendes Urteil.
Die Betreiber der Anlage – und die beteiligten Forscher der damaligen Kernforschungsanlage Jülich (heute Forschungszentrum) sowie der RWTH Aachen – haben Gefahren für Menschen und Umwelt in unverantwortlicher Weise bewusst in Kauf genommen. Ein solches Verhalten ist in höchstem Maße beängstigend. Ethik und Moral sind in einer Art und Weise mit Füßen getreten worden, dass es auch mit der Freiheit der Forschung nicht zu rechtfertigen ist. (...)
Die Forschung an der Kugelhaufen-Technik in Jülich und Aachen ist übrigens längst nicht beendet. Am Lehrstuhl für Reaktorsicherheit der RWTH Aachen beschäftigen sich immer noch Promotionsstudenten damit, auch in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich. Nach dem Atomausstieg und der völligen Neuausrichtung der deutschen Energiepolitik in den vergangenen Jahren ist das grotesk; im Lichte des Expertenberichts ist es völlig unhaltbar. Auch die RWTH täte gut daran, die Kernforschung an ihren Instituten kritisch zu thematisieren – und zwar nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit.“
Zitatende.
Störfälle und Kontaminationen
Einige besonders hervorzuhebende Störfälle und Versäumnisse stellten die „Aachener Nachrichten“ vom 26. April 2014 dar.
Zitat aus „Aachener Nachrichten“ vom 26. April 2014:
Durch den Bericht über den AVR-Betrieb zieht sich wie ein roter Faden die mangelnde Kontrolle in vielen Bereichen und eben eine Art Blindflug durch eine gefährliche Technologie:
+ Von 1967 bis 1988 war es niemals möglich, die Temperaturen im Reaktorkern verlässlich zu messen. Es hat überhaupt nur drei Messkampagnen gegeben: 1970, 1972 und dann erst 14 Jahre später 1986. Das Sicherheitskonzept am AVR beruhte unter anderem auf der Annahme, dass bis zu 1600 Grad Celsius die Spaltprodukte vollständig in den Brennelementkugeln zurückgehalten werden. Bei der letzten Kampagne mit Monitorkugeln, die Schmelzkörper enthielten, schmolzen auch solche mit 1280 Grad, was aber nur belegt, dass diese Temperatur mindestens erreicht worden ist.
+ Außerdem zeigt der Bericht, dass es insbesondere zwischen 1974 und 1976 zu erhöhter Freisetzung von Radioaktivität im Reaktorkern gekommen ist. Zitat: „Für die Expertengruppe ist nicht nachvollziehbar, dass nach Auswertung der dritten Monitorkugelserie 1986 bis 1988 keine weiteren sicherheitstechnischen Analysen vorgenommen wurden.“
+ „Es hat kein Umgebungsüberwachungsprogramm gegeben“, sagt Christian Küppers und erklärt damit, warum die Kontamination des Wassers in den Fundament-Betonkammern erst 20 Jahre nach dem Störfall von 1978 „zufällig“ entdeckt worden ist – in einem Regenwasserkanal, der über einen Mühlenteich in die Rur fließt. Als Ursache der Strahlenbelastung wurden Lecks beim Umpumpen von hochkontaminiertem Wasser nach dem Störfall 1978 angenommen. Küppers: „Alle potenziellen Wege nach außen müssen in die Überwachung eingebunden sein.“ Das war beim AVR nicht der Fall.
Zitatende.
Bundes- und NRW-Landesregierung halten ihre schützende Hand über die Kugelhaufenreaktor-Lobby – bis heute!
Die „Aachener Zeitung“ legt unmissverständlich den Finger in die Wunde.
Zitat aus „Aachener Zeitung“ vom 26. April 2014:
Im Jahr 2009 versprach das Bundesumweltministerium, das Verhalten der NRW-Atomaufsicht im Falle Jülich neu zu bewerten. Diese Neubewertung ist bis auf den heutigen Tag nicht zugänglich. Begründung: Die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen.
Doch inzwischen ist auch ohne Zutun des Berliner Ministeriums klar, dass die damalige Atomaufsicht des Landes NRW nicht einfach nur versagt hat. Sie hat ihr Versagen aktiv herbeigeführt, weil es ihr wichtiger war, ein unkontrollierbares Experiment am Leben zu erhalten, anstatt Mitarbeiter der Jülicher Forschungseinrichtung, Anwohner und die Umwelt zu schützen.
Politisch ist dieses Versagen bis auf den heutigen Tag geduldet worden – aus wirtschaftlichem Interesse. Die SPD-Landesregierungen der 70er Jahre förderten das Jülicher Projekt um jeden Preis, weil es in Aussicht stellte, dank seiner hohen Temperaturen Steinkohle zu Autotreibstoff veredeln zu können. Die technischen Probleme des Reaktors wuchsen aber parallel zum Widerstand in der Bevölkerung gegen Kernenergie. Also förderten die Sozialdemokraten fortan den Export dieser Technologie auch noch, als der Reaktor in Jülich längst abgeschaltet war.
Zitatende.
FZJ: Ein bischen Selbstkritik, um weiterhin nuklear zu forschen!
Das Forschungszentrum Jülich hat zu all diesen Vorgängen und den überaus peinlichen Untersuchungsergebnissen der Expertenkommission nur eine äußerst knappe Stellungnahme abgegeben:
„Der Bericht der Experten zeigt jedoch, dass es in der Vergangenheit gravierende Fehler und Versäumnisse gegeben hat, auch auf Seiten des Forschungszentrums. Dies bedauern wir ausdrücklich. Die Experten haben uns gezeigt, dass Regeln guter wissenschaftlicher Praxis während des AVR-Betriebs nicht immer eingehalten worden sind. Mittlerweile sind solche Regeln seit über zehn Jahren für das Forschungszentrum schriftlich fixiert“.
Das FZJ versucht sich damit herauszureden, das ein größerer Teil der Skandale vor Jahrzehnten stattfand und verspricht, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passieren kann. Damit macht es sich das FZJ sehr leicht. Denn die Verantwortlichen von damals leben nicht mehr oder können nicht mehr zu Rechenschaft gezogen werden.
Die THTR-Forschung im FZJ geht jedoch weiter. Der Rückbau des AVR in Jülich kostet mindestens eine halbe Milliarde Euro und steht vor unlösbaren Problemen, die noch für jede Menge Aufregung in der Öffentlichkeit sorgen werden. Dies ist der Grund, warum das FZJ jetzt ein paar Fehler eingesteht, um anschließend weiterzumachen, wie bisher. Die dazu passenden Politiker stehen bereit.
Auf all diese Vorkommnisse hat der Whistleblower Rainer Moormann seit vielen Jahren hingewiesen. Und im THTR-Rundbrief haben wir in unzähligen Artikeln über ganze Dekaden hinweg berichtet und wurden deswegen angefeindet oder nicht ernst genommen. – Schön, dass jetzt immerhin nach 30 – 40 Jahren auch die Mainstream-Medien kritisch berichten!
Horst Blume
Der Experten-Bericht ist im Internet einsehbar.
Kurzform 14 Seiten:
http://www.fz-juelich.de/portal/DE/UeberUns/selbstverstaendnis/verantwortung/avr/Aktuelles/bericht-avr-expertengruppe_kurz.pdf?__blob=publicationFile
Langform 167 Seiten:
http://www.fz-juelich.de/portal/DE/UeberUns/selbstverstaendnis/verantwortung/avr/Aktuelles/bericht-avr-expertengruppe_lang.pdf?__blob=publicationFile
NRW-Grüne: Empörung über Nuklearforschung in Jülich erst nach 14 Jahren eigener Untätigkeit |
Nach 14 Jahren rotgrüner Untätigkeit in der Regierung bei THTR-Forschung in Jülich empören sich die NRW-Grünen – mit einer Presseerklärung!
Das Forschungszentrum Jülich (FZJ) ist in den letzten Wochen in den Medien massiv in die Kritik geraten. Eine Expertenkommission hat in einem umfangreichen Gutachten festgestellt, dass in dem kleinen Hochtemperaturreaktor – auch „Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor“ (AVR) genannt - schwere Störfälle und ebenso schwerwiegende Manipulationen und Vertuschungen der Betreiber stattgefunden haben. Wir berichteten ausführlich am 29. April 2014 auf dieser Seite.
Die im THTR-Rundbrief und von Bürgerinitiativen seit 20 Jahren geäußerte Kritik an der bis heute stattfindenden THTR-Forschung machen sich jetzt auch diejenigen zu Eigen, die 14 Jahre lang während mehrerer Legislaturperioden in der NRW-Landesregierung waren und nicht nur nichts dagegen unternommen haben, sondern den Sachverhalt schlichtweg in Dutzenden von hochoffiziellen Regierungsstellungnahmen leugneten. Eine Partei, die seit 1995 nur mit einer einzigen schwarzgelb dominierten Unterbrechung (2005 – 2010) an der NRW-Landesregierung beteiligt war, empört sich nun publikumswirksam mit Äußerungen, die sie aus dem THTR-Rundbrief abgeschrieben haben könnte.
Späte grüne Empörung
Priggen, Fraktionsvorsitzender der Grünen im NRW-Landtag, betonte am 3. Mai 2014 in „Rheinische Post“: "Was in Jülich unter dem Deckmantel der angeblichen Erforschung von Sicherheitstechniken betrieben wird, ist in Wahrheit ein Etikettenschwindel. Jülich forscht weiter an hoch riskanten Techniken der Kernenergie und unterstützt sogar den Bau eines neuen Atomkraftwerkes in China."
Und am 5. Mai 2014 legte der grüne Landesumweltminister Johannes Remmel in „Rheinische Post“ nach: "Die Mehrheit der Deutschen hat sich klar gegen Atomkraft ausgesprochen. Sollte in Jülich tatsächlich an riskanten Techniken geforscht und der Bau eines neuen Atomkraftwerks in China unterstützt werden, stünde das im krassen Widerspruch zum Willen der Gesellschaft und der Politik - da hilft auch nicht das Deckmäntelchen der angeblichen Erforschung von Sicherheitstechniken. Atomforschung darf nicht mit öffentlichen Mitteln betrieben werden."
Auch die grüne Bundestagsfraktion, die von 1998 bis 2005 in der Bundesregierung es nicht besser gemacht hat, stößt mit einer Kleinen Anfrage (Drucksache 18/959) an die Bundesregierung in das gleiche Horn. In ihr sitzt jetzt genau diejenige Bärbel Höhn als Bundestagsabgeordnete, die zehn Jahre lang als NRW-Umweltministerin im Forschungszentrum Jülich fast monatlich zu irgendwelchen PR-Terminen ein- und ausging und rein gar nichts gegen die dort stattfindende Nuklearforschung unternommen hat.
Die Grünen waren an der Regierung, die das alles zu verantworten hat!
Auch diese Kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion ist in Wirklichkeit eine rückwirkende Bankrotterklärung ihrer eigenen Politik. Die von ihnen gewählte Überschrift „Die Aktivitäten des Forschungszentrums Jülich im Zusammenhang mit der Hochtemperaturreaktortechnik“ ist immer auch ein Sündenregister eigener Unterlassungen und sogar offensiver rotgrüner Unterstützung für die Nuklearforschung. Und das ist nicht zuviel gesagt, wenn man sich die bodenlosen Frechheiten noch einmal in Erinnerung ruft, mit denen rotgrüne Ministerien unsere Anfragen abgekanzelt haben!
Da schrieb uns am 14. Mai 2003 beispielsweise das Bundesministerium für Bildung und Forschung zum THTR-Know how-Export des jülicher Forschungszentrums nach Südafrika: „Eine Übertragung der hohen deutschen Sicherheitsstandards auf dritte Länder liegt im übrigen im Interesse der Bundesregierung, da dadurch Kernkraftwerke in dritten Ländern sicherer werden können“ - THTR-Rundbrief Nr.: 83.
Die rotgrüne NRW-Landesregierung bezeichnete am 12. Juli 2004 in einem Schreiben an die BI Umweltschutz Hamm die jülicher THTR-Forschung als „wertvollen Beitrag zur internationalen Sicherheit von HTR-Reaktoren“. Dutzende solcher Verlautbarungen hat die BI Umweltschutz im Laufe der Jahre erhalten. Sie sind alle im THTR-Rundbrief dokumentiert - THTR-Rundbrief Nr.: 92.
Rotgrüne Hermesbürgschaften für Chinas Nuklearindustrie!
Die aktuelle Empörung der NRW-Grünen über die bundesdeutsche Unterstützung des THTR-Baus in China setzt auf die Vergesslichkeit der meisten Menschen. Es waren rotgrüne NRW-Regierungen, die nicht nur für die Duldung des Know how –Transfers verantwortlich waren; auch die rotgrüne Bundesregierung trieb dieses Programm massiv voran, indem es dafür Hermesbürgschaften an China gewährte! – Einfach mal den THTR-Rundbrief Nr. 98 aus dem Jahr 2005 lesen:
„Im Jahre 2000 hat ein interministerieller Ausschuss (IMA), der aus Vertretern des Wirtschafts-, Finanz-, Außen- und Entwicklungshilfeministeriums besteht, China Hermesbürgschaften genehmigt, mit denen die Lieferung deutscher Atomtechnologie gefördert wird. "Die Zeit" titelte am 16. März 2000 dazu: "Deutschland ermuntert China zum Einstieg in die Atomkraft" und resümierte zum Schluß: "Jeder weiß, dass die Atomindustrie mit dem Einstieg in China ihre Überlebenschancen verknüpft." Das Kalkül ist aufgegangen und die rotgrüne Ministerialbürokratie hilft fleißig mit und ruft dabei ganz laut immerzu: Es ist nur Sicherheitsforschung, Sicherheitsforschung, Sicherheitsforschung!“
Wenn jetzt die NRW-Grünen der schwarzgelben Intermezzo-Regierung (2005 – 2010) am 3. Mai 2014 in „Rheinische Post“ vorwerfen, sie hätten gerne neue HTR-Forschungsreaktoren bauen wollen, versuchen sie wortreich von ihrer eigenen Rolle als HTR-Förderer während ihrer eigenen 14jährigen Regierungszeit abzulenken. Das ist wirklich peinlich!
Die vielen aktuellen Zeitungsartikel zum THTR-Forschungsreaktor in Jülich bringen glücklicherweise immer mehr Licht in das verborgene Wirken der Atomlobby. Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 28. April 2014 schreibt, wie schäbig diese von der rotgrünen Landesregierung mitkontrollierten Forschungsinstitution mit internen Kritikern umgegangen ist, während Landesumweltministerin Bärbel Höhn wohlfeile PR-Fototermine ein paar Häuserblocks weiter wahrnahm:
„Für Moormann kommt diese Einsicht seines früheren Arbeitgebers zu spät: Seine Enthüllungen über die Sicherheitsrisiken des Reaktors wurden beruflich für ihn zum Super-GAU. „Nach und nach wurden mir meine Mitarbeiter weggenommen, Dienstreisen wurden nicht mehr genehmigt“, schilderte er uns vor einigen Jahren die Repressalien. „Schließlich saß ich ganz allein in einem Flur, zeitweise sogar in einem ganzen Gebäude.“ Anfang 2009 wurde Moormann versetzt. „Ich verlor damit auch meine interne Planstelle und hing jetzt praktisch zwischen allen Stühlen“, so der Wissenschaftler. Die Anfeindungen seien sogar so weit gegangen, dass man ihm dreimal schriftlich attestiert habe, er sei verrückt: Moormann zog die Notbremse und beantragte Altersteilzeit. Inzwischen ist er in Rente.“
Eine sehr gute Zusammenfassung der Kritikpunkte der Expertenkommission über Mängel und Störfälle im AVR Jülich ist hier einsehbar:
Horst Blume
25 Jahre nach der THTR-Stilllegung: Jülich muß THTR-Forschung aufgeben! |
Der eigentliche Skandal ist, dass das Forschungszentrum Jülich (FZJ) ganze 25 Jahre lang nach der Stilllegung der THTR-Pleitereaktoren in Jülich und Hamm unbehelligt unzählige Millionen Euro für die Forschung an einer maroden und hochgefährlichen Technik verprassen konnte, ohne dass im Land NRW oder im Bund die regierenden Parteien dies in irgendeiner Weise verhinderten.
Sie haben alle zusammen während dieser Jahrzehnte dutzende von Eingaben und Fragen der Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm hochnäsig abgekanzelt. Darunter auch 14 Jahre lang rotgrüne Regierungen in NRW und sieben Jahre lang Rotgrün im Bund.
Und jetzt kam dann doch noch das Ende der hochtrabenden Thorium-Träume, nachdem eine Expertenkommission beim HTR in Jülich Störfälle, Manipulationen und Vertuschungen publik gemacht hat und damit das Fass zum überlaufen brachte. Denn steter Tropfen höhlt den Stein.
Manchmal dauert es Jahrzehnte, bist der Widerstand deutliche Erfolge bewirkt.
Das FZJ gibt natürlich die Niederlage nicht offen zu. Lassen wir uns noch einmal seine dreisten Tatsachenverdrehungen genüsslich auf der Zunge zergehen; denn Atomkraft ist totsicher und folglich kann mit diesem billigen Taschenspielertrick jegliche Nuklearforschung in Jülich auch nur Sicherheitsforschung sein:
Zitat Anfang „Alle derzeit noch laufenden Sicherheitsforschungen des Forschungszentrums Jülich mit Bezug zur Hochtemperatur-Reaktor-Technologie (HTR) werden wie seit Jahren geplant bis Ende 2014 abgeschlossen sein. In der Forschung zur HTR-Reaktorsicherheit arbeiten aktuell noch 2 Wissenschaftler und 3 Doktoranden. Auch die Forschungsaktivitäten mit HTR-Bezug, bei denen das Forschungszentrum experimentelle Arbeitsmöglichkeiten für Forscher der RWTH Aachen bereit stellt, sollen mit dem Abschluss der entsprechenden Projekte beendet werden. Das Forschungszentrum Jülich beabsichtigt, den Betrieb der entsprechenden Testeinrichtungen einzustellen.“ Zitat Ende (1)
THTR in China
Zur Jülicher Hilfestellung beim Bau von Hochtemperaturreaktoren (HTR) in China wäscht das Forschungszentrum frech seine Hände in Unschuld:
Zitat Anfang „Das Forschungszentrum ist seit vielen Jahren nicht mehr an der Entwicklung von Reaktortechnologie beteiligt, auch nicht am Bau von Reaktoren, auch nicht in China. (...) An Fragen der weiteren Entwicklung der HTR-Technik, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem chinesischen Reaktorbau in Shidao, arbeiten keine Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich. Mit dem Shanghai Institute of Applied Physics (SINAP) gibt es Kontakte zu Sicherheitsfragen, die aber nichts mit Hochtemperaturtechnologie zu tun haben. Mit der Tsinghua Universität Peking gibt es Kontakte, die sich auf Sicherheitsfragen der HTR-Technologie beziehen.“ Zitat Ende (2)
Der spätere Präsident der Pekinger Universität und HTR-Förderer, Wang Dazhong, hat in Aachen über den THTR promoviert und in Jülich gelernt. Neben dem THTR-Forschungsreaktor auf dem Pekinger Uni-Gelände wurde auf der Halbinsel Shandong in der Kiautschou-Bucht auf einem ehemaligen deutschen Kolonialstützpunkt (Qingdao bzw. Tsingtau) der Standort für einen großen THTR festgelegt (3).
Die Peking-Jülich-Connection wurde in den 80er und 90er Jahren durch intensive weitere Kooperationen begleitet und durch zahlreiche wissenschafliche Arbeiten in Jülich bis mindestens 2004 unterfüttert. Zusätzlich fand ein intensiver Know how-Transfer auf den beiden internationalen HTR-Tagungen in Peking in den Jahren 2002 und 2004 statt. Das alles unter den Augen rotgrüner Regierungen im Bund und in NRW! Das alles war in den THTR-Rundbriefen Nr. 88 und 98 (4) detailliert nachzulesen und wurde von unserer Bürgerinitiative an die jeweiligen Entscheidungsträger herangetragen.
In der TAZ vom 15. Mai 2014 sind die NRW-Grünen im Landtag über die Jülicher HTR-Forschung für China empört und fordern Aufklärung und Auskunft, obwohl sie selbst viele Jahre lang während dieser Zeit an der Regierung waren und nichts dagegen unternommen haben!! Ich zitiere aus der TAZ vom 15. 5. 2014:
Zitat Anfang „Atomforschung für neue Reaktoren in China ist kein Aushängeschild, sondern ein klarer Widerspruch zum Atomausstieg der Bundesrepublik“, sagte Priggen. (...) „Mit der Tsinghua-Universität Peking gibt es Kontakte, die sich auf Sicherheitsfragen der HTR-Technologie beziehen“, teilte Jörg Kriewel, Sprecher des Forschungszentrums, der taz mit. Dabei gehe es um Rechenmodelle, mit deren Hilfe die Auswirkungen von Störfällen analysiert werden können. „Die Rechenmodelle liefern Erkenntnisse über Störfallabläufe in bereits fertiggestellten beziehungsweise in bereits im Detail geplanten Reaktoren“, so Kriewel. „Sie dienen nicht der Reaktorentwicklung.“ Doch genau das ist die Frage, die nicht geklärt ist. Unabhängig vom Ergebnis der weiteren Aufklärung hat der Aufsichtsrat auf Initiative des grün geführten NRW-Umweltministeriums beschlossen, dass dieses Forschungsprojekt nach dem Auslaufen der Verträge 2015 nicht fortgesetzt wird. Den Grünen reicht das nicht. „Es wäre besser, einen klaren Strich zu ziehen“, sagte Fraktionschef Priggen. Zitat Ende
Hätten die NRW-Grünen in der Regierungsverantwortung einen klaren Strich gezogen, wäre Südafrika mit dem Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) eine Milliardenpleite erspart geblieben und die HTR-Entwcklung in China würde nicht schon heute das Leben vieler Chinesen bedrohen, weil schon jetzt die Produktion des nuklearen Brennstoffes für die Kugeln eine große Gefahr darstellt (5).
Das FZJ zieht sich jetzt womöglich tatsächlich aus der Kugelhaufentechnologie zurück, will aber weiter für Leichtwasserreaktoren forschen:
Zitat Anfang „Das Forschungszentrum wird planmäßig ab 2015 im Rahmen der öffentlich geförderten Forschung ausschließlich zur Sicherheit der in Deutschland und bei unseren europäischen Nachbarn üblichen Leichtwasserreaktoren forschen.“ Zitat Ende (6)
Einer Kugelhaufentechnologie, die nach dem aktuellen Bericht einer Expertenkommission endgültig abgewirtschaftet hat, hinterherzutreten ohne zu ihrem Ende effektiv in den letzten Jahrzehnten etwas beigetragen zu haben, ist allzu billig.
Aber jetzt warten auf Rotgrün neue Aufgaben im Bereich der Leichtwasserreaktoren. Ich bin gespannt.
Anmerkungen:
1. FZJ-Pressemitteilung vom 5. 5. 2014: http://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Meldungen/PORTAL/DE/2014/14-05-05sicherheitsforschung.html
2. Siehe 1
3. Zwei Artikel: Aus: "Anti Atom Aktuell", Nr. 160, 2005 Nukleare Premiere China steigt massiv ins HTR-Geschäft ein!
und in der Graswurzel: „Neuer THTR in China. Am deutschen Wesen soll die Reaktor-Welt genesen!“
4. THTR-Rundbrief Nr. 88 und THTR-Rundbrief Nr. 98
6. FZJ-Pressemitteilung vom 14. 5. 2014: http://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Meldungen/PORTAL/DE/2014/14-05-14aufsichtsrat-sicherheitsforschung.html
Zum Bild: Diese Zeitleiste von 1976 bis 2010 über das deutsch-chinesische HTR-Geschäft erschien im März 2005 in der Papierausgabe vom THTR-Rundbrief Nr. 98
Horst Blume
Dokumentation: Bericht des NRW-Umweltministeriums zu Krebsfällen und THTR-Kügelchen. Kommentar der BI Hamm |
Eine aktuelle Auswertung im Auftrag des NRW-Umweltministeriums sieht derzeit keinen Einfluss durch den ehemaligen Atomreaktor THTR Hamm auf Krebserkrankungen in der umliegenden Bevölkerung. Dies steht in einem Bericht des Epidemiologischen Krebsregisters NRW, der die Raten der Krebserkrankungen der Bevölkerung untersucht hat. Es wurden dazu die Krebshäufigkeiten der umliegenden Kommunen Hamm, Beckum, Ahlen, Lippetal und Welver analysiert.
„Die Menschen, die in der Nähe des ehemaligen Atom-Reaktors leben, brauchen Sicherheit, dass sie keinen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt sind, denn ihre gesundheitliche Unversehrtheit hat oberste Priorität“, erklärte der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel bei der Vorlage des Berichts des Epidemiologischen Krebsregisters NRW in Düsseldorf. Allerdings wirft der Bericht auch eine offene Frage auf, der die Landesregierung nun mit Nachdruck nachgehen wird. Das Krebsregister NRW hat hier eine Auffälligkeit bei Erkrankungen an Schilddrüsenkrebs festgestellt. Hier wurde eine statistisch signifikant erhöhte Rate für Schilddrüsenkrebs bei Frauen in den Jahren 2008 bis 2010 festgestellt.
Hintergrund des Berichts waren vermehrte Anfragen von Bürgerinnen und Bürger aus der Region. Das Ministerium hat deshalb vorsorglich auf die Sorgen der Menschen vor Ort reagiert und eine Auswertung durch das Epidemiologische Krebsregister NRW beauftragt. Die Ergebnisse der statistischen Auswertung liegen nun aktuell vor. Der stillgelegte Reaktor in Hamm-Uentrop war zuletzt wegen des Verdachts in den Fokus geraten, dass radioaktive PAC-Kügelchen aus dem Reaktor in die Umwelt gelangt waren. Dies bestätigte sich allerdings nicht. Bei den gefundenen Kügelchen handelte es sich nach derzeitigem Stand um kugelförmige Bestandteile von Düngemitteln, die Konverterkalk enthalten . Zudem hatte sich 1986 innerhalb des THTR ein Zwischenfall ereignet, bei dem Radioaktivität frei gesetzt wurde. Um hinsichtlich der Diskussion um vermutete Krebshäufungen Klarheit zu schaffen, wurden in der aktuellen Auswertung ausgewählte Krebserkrankungen der Bevölkerung aus den Jahren 2008 bis 2010 mit denen eines Referenz-gebietes verglichen. Aktuellere Daten liegen derzeit noch nicht vor.
Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse:
- Für Krebs der Speiseröhre, des Darms, der Lunge und Bronchien, der Brust, des Eierstocks sowie die myeloischen und akut lymphatischen Leukämien zeigen die Untersuchungsregion Hamm und die umliegenden Gemeinden Ahlen, Beckum, Lippetal und Welver keine auffälligen Häufungen im Vergleich zur Referenzregion Kreis Recklinghausen.
- Das Krebsregister NRW hat allerdings eine Auffälligkeit bei Erkrankungen an Schilddrüsenkrebs festgestellt. Hier wurde eine statistisch signifikant erhöhte Rate für Schilddrüsenkrebs bei Frauen in den Jahren 2008 bis 2010 festgestellt. Nach den Ergebnissen beträgt die standardisierte Inzidenz-Rate für Schilddrüsenkrebs bei Frauen in der Untersuchungsregion in den Jahren 2008 und 2010 1.64. Gemäß dem Bericht des Krebsregisters kann dies als ein um 64 % erhöhtes Risiko interpretiert werden an Schilddrüsenkrebs zu erkranken. Dies gilt nur im Vergleich zur ausgewählten Referenzregion.
- Allerdings weist die Art der beobachteten Schilddrüsentumore die Auffälligkeit auf, dass sie in einem frühen Stadium erkannt (kleine Tumore) und gemeldet wurden. Das Krebsregister beschreibt daher als mögliche Ursache der beobachteten Erhöhungen der Raten an Schilddrüsenkrebs regional intensive Aktivitäten zur Früherkennung von Schilddrüsenkarzinomen (intensives Screening).
Eine Strahlenbelastung als Ursache, etwa durch den THTR Hamm, erscheint allerdings wenig wahrscheinlich, da keine Auffälligkeit bei Schilddrüsenkrebs der Männer gefunden wurde. Bei Strahlung als Ursache hätte es auch hier eine Krebshäufung geben müssen. Dies ist aber nicht der Fall. Zudem wurden keine Auffälligkeit bei Tumoren sich schnell teilender Zellverbände (blutbildendes System / Leukämien) gefunden, die typischerweise mit Strahlenexposition assoziiert sind. Außerdem wäre, unter der Annahme einer Strahlenbelastung im Zusammenhang mit einem Ereignis beim THTR im Jahr 1986, zu erwarten, dass mögliche Effekte sich im Untersuchungszeitraum in einer erhöhten Zahl von Erkrankungsfällen in jüngeren gegenüber höheren Altersgruppen bemerkbar machen. Die altersspezifischen Analysen bestätigen diesen Verdacht jedoch nicht. Darüber hinaus zeigt die Auswertung des Krebsregisters anderer Regionen in NRW, welche nicht in der Nähe zu einem Reaktor liegen, ebenfalls ein erhöhtes Vorkommen von Schilddrüsenkrebs bei Frauen. Die Resultate in der Untersuchungsregion haben nach derzeitigem Stand des Wissens kein Alleinstellungsmerkmal.
Dennoch markiert die statistische Analyse eine Auffälligkeit, die die Landesregierung weiter untersuchen lassen wird. Wir wollen soweit wie möglich Klarheit bekommen und gehen dem deshalb weiter nach“, sagte Minister Remmel, „und haben die Frage an das Epidemiologische Krebsregister weitergegeben“. Darüber hinaus wollen wir auch Einschätzungen von entsprechenden Instituten auf Bundesbene einholen, um weitere Expertenmeinungen einzubeziehen. Die Erkrankungsraten für Schilddrüsenkrebs haben in den letzten Jahren in Deutschland sowie auch in anderen Ländern in Europa erheblich zugenommen. Dieser Trend ist bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern. Dies belegen Zahlen, die das Robert-Koch-Institut in seinen Jahresberichten darstellt.
Krebsregister sind Einrichtungen zur Erfassung, Speicherung und Interpretation von Informationen zu Krebserkrankungen und davon betroffenen Personen. Das Epidemiologische Krebsregister Nordrhein-Westfalen ist eine gemeinnützige GmbH. Die Aufgabe der gGmbH besteht in der Führung und Vorhaltung des Epidemiologischen Krebsregisters des Landes Nordrhein-Westfalen.
Der "Bericht der Epidemiologische Krebsregisters NRW GmbH an das Ministerium für Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein Westfalen" ist hier einzusehen:
http://www.reaktorpleite.de/images/stories/pdf/Bericht%20Krebsregister.pdf
Einschätzung der BI Hamm zur Studie aus dem Hause des NRW Umweltministeriums:
Die Aussage von Umweltminister Remmel, dass 1986 nur „eine sehr geringe Menge radioaktiver Aerosole aus der Anlage freigesetzt wurde“ weisen wir als Verharmlosung des Störfalls im THTR zurück. Die Betreiber haben zur Zeit des Störfalls die Aufzeichnungen der Messstreifen unterbrochen.
Diese Aussage Remmels könnte genauso gut von der PR-Abteilung der RWE kommen und ist nicht belegbar. Vielmehr wurden in den ersten Tagen und Wochen in der direkten Umgebung des THTR von verschiedenen Messeinrichtungen mehrere zehntausend Bequerel gemessen.
Siehe auch: Thtr-Rundbrief Nr. 139-juni-2012.html
Der Untersuchungszeitraum des Epidemiologischen Krebsregisters umfasst nur drei Jahre von 2008 bis 2010! Die wichtigen 22 Jahre zuvor bleiben bei dieser Untersuchung ausgespart. Doch gerade dieser Zeitraum ist von allergrößtem Interesse. Die Behörden und die zuständigen Regierungen haben es jahrzehntelang bewusst unterlassen, Statistiken über diese Zeit anlegen zu lassen. Offensichtlich wollten sie eine für sie lästige Diskussion über Krebsfälle in der Nähe des THTR gar nicht erst aufkommen lassen.
Um so bemerkenswerter ist es, dass 27 Jahre nach dem Störfall immerhin noch herauskommt, dass in der Umgebung von Hamm 64 % mehr Schilddrüsenkrebs bei Frauen aufgetreten ist als in vergleichbaren anderen Regionen. Zu den unterschiedlichen Auswirkungen von künstlicher Radioaktivität auf Frauen und Männer folgendes aktuelles Zitat aus ntv:
„Biostatistiker, Strahlenbiologen und Humangenetiker suchen schon lange nach einer Erklärung, weshalb sich künstliche Strahlungen unterschiedlich auf die Geschlechter auswirken. Dazu gehört unter anderem das "Phänomen der verlorenen Mädchen". Dazu hatten Forscher um den Biomathematiker Hagen Scherb von Helmholtz-Zentrum München in einem Radius von 40 Kilometer um das Zwischenlager Gorleben ein "eindrucksvolles Mädchendefizit" ermittelt. Und zwar genau seit 1995, als die ersten Castor-Behälter mit radioaktivem Müll in die Region rollten.“
Aus: http://www.n-tv.de/politik/Mehr-Krebs-am-Atomreaktor-Hamm-Uentrop-article11810801.html
Wichtig wäre eine Ausweitung des Untersuchungszeitraumes auf die ganzen 27 Jahre nach dem Störfall.
Weitere Messergebnisse von Kügelchen am THTR |
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm hat sich mit 250 Euro an einer Untersuchung von zwei in der Nähe des THTR gefundenen Proben beteiligt.
Hier sind die Ergebnisse der Uni Giessen:
Justus-Liebig-Universität Giessen, Dezernat B, Zentrale Strahlenschutzgruppe (B 3.5):
Ergebnisse Probe Seithe
1.) Probemasse 13,7g + 14,9g = 28,6g (Partikel)
2.) Gamma-Messungen Gesamtprobe/Schale A/Schale/B
3.) Beta-Messungen z. Orientierung
4.) Messergebnisse:
a.) Die Proben enthalten Thorium, Uran, Cäsium und K40 mit ca. 83 Bq/28,6g (2900,- Bqkg). Dieser Wert unterschätzt die tatsächliche Radioaktivität, da u. a. die Zerfallsketten nicht vollständig erfasst werden.
b.) Beim Uran ist eine Anreicherung von U235 im Bereich von 5 – 12 Prozent erkennbar.
c.) Die Zerfallskette steht nicht im natürlichen Gleichgewicht.
d.) Das Massenverhältnis von Thorium/Uran235 liegt zwischen 15 u. 35.
e.) Die B-Probe enthält ca. 1,6 Bq Cs137 also 0,11Bq/g.
Mit freundlichen Grüßen Dr. Werner Wallbott
(Die Anlage enthält vier farbige Graphiken.)
Kommentar der BI Umweltschutz Hamm:
In Standardböden findet man etwa 500 bis 1000 Bq/kg für die in der Untersuchung genannten Nuklide Thorium, Uran, Cäsium und Kalium K40 (1). Wenn metallurgische Rückstände (beispielsweise in Düngemitteln) hinzukommen würden, kann der Bq-Wert leicht höher liegen. Die in den Proben gemessene Aktivität von 2900 Bq/kg wäre demnach nur leicht erhöht.
In diesem Zusammenhang sollte beachtet werden, dass Thorium eine Aktivität von 4 Mio Bq/kg (2), Natururan von 12 Mio Bq/kg, HEU sogar von 80 Mio Bq/kg hat. Von daher handelt es sich bei diesen Proben um völlig andere Größenordnungen. Und nach unserer jetzigen Einschätzung eher nicht um coated particles aus dem THTR.
Der Cs-137-Wert der B-Probe entspricht etwa dem, was Böden in der BRD typischerweise durch Tschernobyl noch haben können. Die höchsten Werte in Bayern liegen etwa zehnfach darüber.
Dies ist natürlich nur ein vorläufiges Fazit. Falls neue Untersuchungen mit anderen Resultaten durchgeführt werden oder andere stichhaltige Interpretationen dieser Ergebnisse vorliegen, werden wir unsere Aussage gegebenenfalls überdenken und korrigieren.
Anmerkungen:
1.) http://www.fs-ev.de/faq/radioaktivitaet/faq_frage_202.html
2.) Spezifische Aktivität bei radioaktiven Stoffen: http://de.wikipedia.org/wiki/Aktivit%C3%A4t_%28Physik%29
Kohlekraftwerk Hamm: Panne im Kopf und in Block D |
Was passiert, wenn 23 Stadtwerke die energiepolitischen Vorgaben von RWE und Co umsetzen, ist an der Pannenserie im Kohlekraftwerk D in Hamm-Uentrop zu sehen. 25 Millionen Euro müssen allein die Stadtwerke Hamm die nächsten fünf Jahre einsparen, um die Verluste (auch für Investitionen in unökologische Offshore-Windparks in der Nordsee) bezahlen zu können.
RWE präsentiert 'Pleiten, Pech und Pannen' - Zeichnung von Siegbert Künzel
Billiger poröser Chinastahl und säurehaltiges Wasser im Dampferzeuger sind die Hauptursachen für die Störfälle, gepaart mit einer THTR-Spezialität, der zu späten Meldung des Versagens. Der Streitwert gegenüber der bauausführenden Alstrom beträgt 250 Millionen Euro. Block D soll am 22. Juni 2015 in Betrieb gehen. Wers glaubt. Jede Art von Großkraftwerken ist umweltschädlich, ineffizient aufgrund langer Transportwege und möglicherweise sehr störanfällig. Warnende Stimmen und Proteste wurden von den Verantwortlichen überhört. Wer übernimmt jetzt die Verantwortung??
Das Kohlekraftwerk kommt aus den Schlagzeilen nicht mehr heraus:
http://www.wa.de/lokales/hamm/uentrop/neubau-rwe-steinkohle-kraftwerks-westfalen-hamm-uentrop-noch-teurer-3607081.html
Für die Arbeit an 'THTR Rundbrief', 'reaktorpleite.de' und 'Karte der nuklearen Welt' braucht es aktuelle Informationen, tatkräftige, frische Mitstreiter unter 100 (;-) und Spenden. Wer helfen kann, sende bitte eine Nachricht an: info@reaktorpleite.de
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