THTR Rundbrief Nr. 138 April 2012


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THTR Rundbrief Nr. 138, April 2012


Inhalt:

Schlammschlacht gegen Moormann

Mysteriöse Kügelchen am THTR gefunden!

Protest vor der RWE-Jahreshauptversammlung in Essen!


Schlammschlacht gegen Moormann

„Whistleblower im nuklear-industriellen Komplex“

Whistleblower im nuklear-industriellen KomplexBereits im THTR-Rundbrief Nr. 136 hatten wir über die Whistleblower-Preisverleihung an den Jülicher Wissenschaftler Rainer Moormann berichtet und die Begründung der Jury veröffentlicht. Inzwischen ist in diesem Jahr ein 122 Seiten starkes Büchlein mit den Beiträgen mehrerer Autoren und von Moormann selbst zur Preisverleihung erschienen. Es geht in dem Buch um die Störfälle in den beiden Kugelhaufenreaktoren in Jülich und Hamm, um Vertuschungsversuche bei Betreibern und im Forschungszentrum Jülich (FZJ). Und den Kampf eines einzelnen Wissenschaftlers, die Wahrheit doch noch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Als sich vor drei Jahren das Ende des mit Jülicher Know how in Vorbereitung befindlichen Pebble Bed Modular Reactors (PBMR) in Südafrika abzeichnete, blies die THTR-Lobby mit letzter Kraft zum propagandistischen Gegenangriff, um zu retten, was noch zu retten ist. Sie bediente sich hierbei der Hauszeitschriften der Nuklearindustrie und ihrer gefälligen Schreiberlinge. Die FAZ lobte 2011 kurz nach der Fukushima-Katastrophe die „schönste aller Maschinen“ (1), ebenso ließ „Die Welt“ mit Prof. Hurtado ausgerechnet einen von THTR-Forschungsgeldern Abhängigen über die angeblichen Vorzüge der Kugelhaufentechnologie dozieren (2). Der THTR-Rundbrief berichtete ausführlich hierüber.

Rechte „Leitmedien“ verbreiten dreiste Lügen

Mancher der Leser mag diese skurrilen Berichte nicht ganz ernst genommen haben, da sie offensichtlich interessengeleitet waren und durch und durch blamabel ausgefallen sind. Fakten und Störfälle sprachen so offensichtlich gegen diese Berichte, dass eine nähere Beschäftigung mit ihnen einigen LeserInnen vielleicht geradezu lächerlich vorkam. Welch irritierende Wirkung das Geschreibsel einiger „Leitmedien“ von den angeblich „inhärent sicheren“ und ach so sehr verkannten „Wunderreaktoren“ selbst heute noch hat, beschrieb der WDR-Journalist Martin Herzog in seiner im Buch abgedruckten Laudatio recht plastisch. Während der Vorbereitungen und Dreharbeiten über THTR und PBMR in Südafrika (3), trug sich Folgendes zu:

„Von mehreren Freunden wurden wir darauf angesprochen, aber auch von Redakteuren im eigenen Haus, die von unserer Arbeit wussten, sich aber nicht weiter mit dem Thema befasst hatten. Das seien ja wohl wichtige Aspekte und man habe gar nicht gewusst, dass dieser Reaktortyp so ungefährlich sei. Eine Kernschmelze sei ja gar nicht möglich – genial! Die Propaganda der Kugelhaufen-Gemeinde hatte also schon Früchte getragen.

Ohne einen Rainer Moormann hätten wir an dieser Stelle argumentativ auf ziemlich verlorenem Posten gestanden. Und unsere Sendungen zu den Problemen des Jülicher Reaktors hätten so jedenfalls nie stattgefunden. Oder aber, was vielleicht noch schlimmer ist, sie wären ebenfalls zu Werbeveranstaltungen für den Kugelhaufen-Reaktor verkommen. All unsere kritischen Fragen hätten ins Leere laufen müssen: Der Störfall 1978? Eine Routineangelegenheit! Der radioaktiv verseuchte Grund unter dem Reaktor? Kann bei einem Versuchsreaktor vorkommen nicht weiter schlimm. Die anhaltenden Probleme beim Rückbau? Alles im Zeitplan! Die erhöhten Leukämieraten bei Kindern in der Umgebung? Ein Zusammenhang nicht belegbar!

Ohne Rainer Moormann und seine geduldigen Erklärungen hätten wir in anderen Interviews nicht nachhaken können. Wir hätten hinnehmen müssen, was uns an Argumenten aufgetischt wurde. Wir hätten vor dem Dauerbeschuss mit hoch technischem Vokabular kapitulieren müssen. Wir hätten niemals vom Verhalten dieses Reaktors bei Wassereinbruch erfahren, Tschernobyl durchaus vergleichbar, nie auch nur die Nase daran bekommen, dass dieser Reaktor in Jülich damals vermutlich nur um „Haar-Riss-Breite“ einer Atomexplosion entgangen ist.“ (Seite 42)

1978: Vertuschte Beinahe-Katastrophe in Jülich!

Im Nachhinein betrachtet liegt eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Kugelhaufenreaktoren inzwischen 34 Jahre zurück. Dr. Dietrich Deisenroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und Mitglied der Whistleblowerpreis-Jury, schreibt in dem Einleitungsbeitrag des Buches:

„Am 13. Mai 1978 traten infolge eines zunächst unbemerkt gebliebenen Lecks im Überhitzerteil des Dampferzeugers 27,5 t Wasser in den Helium-Primärkreislauf und damit in den Reaktorkern ein. In dem vom Bundesministerium der Öffentlichkeit vorgelegten „Bericht über besondere Ereignisse in den Kernkraftwerken der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1977 und 1978“ wird das in der Kategorie „C“ eingestufte „Vorkommnis“ lapidar wie folgt beschrieben: „Wasserleckage in das Primärsystem“. Diesen Störfall sollte der AVR jedoch nicht „überleben“. Er wurde endgültig stillgelegt. Die genauen Gründe dafür wurden niemals offen auf den Tisch gelegt.

Dr. Moormann, lange Zeit durchaus ein Befürworter der Atomenergienutzung in Reaktoren, kam 2008 in einer Studie, die er im FZ Jülich erarbeitet hatte, zu der Einsicht, dass der AVR bei dem Störfall im Jahre 1978 nur knapp an einer Katastrophe „vorbeigeschlittert“ sei. Dr. Moormann: “Ich habe ... einen schweren Störfall, einen Wassereinbruch, den es 1978 gab, untersucht. Wäre das Leck damals größer gewesen, hätte es eine Katastrophe geben können – ausgelöst durch eine Explosion, wie man sie in Fukushima (Japan) erlebt hat. 2007 habe ich dann einen Bericht an die Verantwortlichen des Nuklearbereichs im Forschungszentrum verfasst, das hat natürlich nichts gebracht. Ich habe mich dann an den Vorstand des Forschungszentrums Jülich gewandt und ein Jahr später nach längeren internen Diskussionen eine Untersuchung veröffentlicht, die für Aufsehen gesorgt hat. Diese hat sicherlich dazu beigetragen, dass der Bau eines Kugelhaufen-Reaktors in Südafrika nun nicht mehr verfolgt wird.“ (Seite 29)

Rainer Moormann schreibt zur Veröffentlichungspraxis der Betreiber zu diesem gefährlichen Störfall Folgendes: „ In dem 2009 erschienenen 100-seitigen Buch der AVR GmbH zum AVR (50 Jahre AVR) gibt es 3 nichtssagende Sätze zum Wassereinbruch. Es ist nur von einem Haarriss die Rede, dass 30 Tonnen Wasser in den Reaktor gelaufen sind, wird nicht gesagt. In der Öffentlichkeitsarbeit von AVR wird der Wassereinbruch soweit wie möglich ausgeblendet.“ (Seite 110)

Kugelbrennelemente verseuchten Reaktor radioaktiv

In seiner Dankesrede für die Verleihung des Whistleblowerpreises kommt Moormann auch auf die unterschiedlichen Reaktionsweisen der charakteristischen tennisballgroßen Kugelbrennelemente zu sprechen:

THTR-Rb-81-März-2003-Juelich-in-der-Kritik„Damit zeigt der Kugelhaufenreaktor eine gute Rückhaltung der bei konventionellen Reaktoren problematischen Jod- und Edelgasnuklide. Das positive Bild trübt sich, wenn andere Problemnuklide wie Cäsium, Silber oder Strontium betrachtet werden, die schon bei Temperaturen des Normalbetriebs auch intakte Barrieren des Kugelbrennelements langsam durchdringen können. Dieser Diffusion genannte Effekt existiert so in konventionellen Brennelementen nicht. Die unter den Augen der Aufsichtsbehörden aufgebaute, wirklich gewaltige Kontamination des Jülicher AVR-Reaktors mit Cäsium und Strontium, welche dessen Rückbau extrem aufwändig macht, geht auf solche Diffusionsprozesse zurück. Sie begrenzen den verantwortbaren Einsatz von derzeitigen Kugelbrennelementen auf relativ niedrige, weniger attraktive Temperaturen.

Schließlich einige Bemerkungen zu weniger bekannten Betriebserfahrungen deutscher Kugelhaufenreaktoren: Die Reibung der Kugeln war im Reaktor viel stärker als angenommen, was zu Verklemmungen, zerbrochenen Brennelementen und viel Staub führte. Der Staub absorbierte Radioaktivität, was sich als großes Problem erwies, da sich der Staub nicht aus dem Kühlkreislauf entfernen ließ. Außerdem bewegten sich die Brennelementekugeln im Reaktorkern nicht so wie vorausberechnet: Der Brennstoff verteilte sich anders als angenommen, und die Kettenreaktion geriet aus dem Tritt. Vermutlich auch aus diesem Grund wurden einige Bereiche der Reaktoren viel zu heiß, andere blieben zu kalt. Schäden an Brennelementen und an Komponenten waren die Folge. Auf zeitnahe Messungen im Reaktorkern, zum Beispiel von Temperaturen, kann daher nicht verzichtet werden. Solche Messungen sind in Kugelhaufenreaktoren jedoch nicht immer möglich.“ (Seite 53)

Die Untersuchungen von Moormann und seine ungeschminkten Schlussfolgerungen gingen und gehen an das Eingemachte, sie stellen eine Bedrohung dar für die bisherige Forschungspraxis in Jülich. Martin Herzog nennt die Hintergründe:

„Es geht vor allem um Wirtschaftsinteressen. Und es geht um Geld. Kurzfristig um Fördergelder, um Doktoranden- und Planstellen in Forschungseinrichtungen, um Berater- und Gutachter-Honorare. Mittelfristig um Aufträge für die deutsche Industrie. Langfristig um den großen Kuchen der Stromversorgung in Zeiten weltweiter Umwälzungen auf dem Energiemarkt.“ (Seite 38)

THTR-Abhängige bekämpfen Moormann mit Verleumdungen

Dementsprechend sind die Reaktionen von den direkt betroffenen Kollegen von Moormann, der THTR-abhängigen Forschern und vom FZJ ausgefallen. Martin Herzog berichtet, dass nach der Ausstrahlung seines Südafrikafilms im WDR sogar aus Peking, wo an einem THTR-Forschungsreaktor gearbeitet wird, per Mail von einem Atomphysiker schrille Beschimpfungen und Verleumdungen gegen Moormann ausgestoßen wurden:

„In den folgenden Tagen, Wochen und Monaten erreichte uns eine Reihe weiterer E-Mails und Briefe in ähnlich schriller Tonlage. In den Schreiben war davon die Rede, der „WDR-Rotfunk“ habe da ein „Schauerstück“ gesendet, in dem ein „Pseudo-Experte“ aufgetreten sei, ein „Herr Moormann“, der „lustig drauflos phantasiere“ und böswillig lüge. Ein Briefeschreiber verstieg sich sogar zu der Aussage, Rainer Moormann sei ein „geschickter Agitator“, der uns für seine persönliche Rache schamlos ausnutze. (...)

Wir haben uns gefragt, was diese Herrschaften zu ihren Zornesausbrüchen treibt? Die meisten Urheber der unflätigen Anwürfe waren mir wohl bekannt: Sämtlich waren sie Befürworter der Kugelhaufen-Technologie. Dabei handelt es sich um eine ebenso kleine wie lautstarke Gemeinde – größtenteils ehemalige Mitarbeiter des Jülicher Reaktors. Ganz offenbar können sie nur schlecht ertragen, dass ihr Lebenswerk, das in den 60er Jahren mit großen Hoffnungen startete, so sang- und klanglos beendigt wurde, wie es mit dem „Atomaren Versuchsreaktor“ in Jülich Ende der 80er Jahre geschah.

Dieses Grüppchen träumt von der Wiederauferstehung des Kugelhaufen- oder Hochtemperaturreaktors. Nicht im „technikfeindlichen“ Deutschland soll die Renaissance stattfinden, da haben sie die Hoffnung wohl aufgegeben, sondern in Ländern wie Südafrika, China, Australien, Indonesien, neuerdings auch Polen, dort also, wo man deutsche Ingenieurskunst noch zu schätzen weiß. Jemand wie Rainer Moormann stört da mit seiner Kritik.“ (Seite 37 und 38)

Frühe Kritik von Moormann am THTR

Für uns als Bürgerinitiative, die seit 1975 gegen den THTR-300 in Hamm engagiert war, ist es natürlich interessant im Nachhinnein zu erfahren, was in den vergangenen Jahrzehnten hinter den Kulissen in Jülich passiert ist. Schon vor langer Zeit wurden kritische Stellungnahmen Moormanns ignoriert oder bekämpft. Hier eine kleine Chronogie von Rainer Moormann selbst:

„1984: Eine eingereichte Veröffentlichung zur Gefährdung von Kugelhaufenreaktoren durch Lufteinbruch/Graphitbrand wurde von der Kugelhaufencommunity verhindert, Argument (vor Chernobyl): Graphitbrand ist unmöglich.

1987: Rechnungen zum Lufteinbruch und Graphitbrand beim THTR-300 (Hamm) im Gefolge von Chernobyl. Eine entsprechende technische Notiz musste ich auf Weisung des kommissarischen Institutsleiters, Prof. Schulten, zurückziehen, „da sie den THTR-300 gefährden könnte.“

1987: Kritische Stellungnahme zu damaligen Behauptungen, bei Kugelhaufenreaktoren würde die Radioaktivitätsrückhaltung im Graphit mit steigender Temperatur immer besser.

1988: Genehmigungsverfahren für den HTR-Modul in Niedersachsen: Ich habe auf nicht berücksichtigte Jodfreisetzung bei Wassereinbruchstörfällen hingewiesen, was zu einer Kontroverse mit dem Anbieter Siemens führte.

1992: Hinweise auf Genehmigungsprobleme bei Kugelhaufenreaktoren durch radioaktiven Staub und Jod bei Druckentlastungsstörfällen.

1994: Kritische Stellungnahme zur Korrosionsinstabilität des Kugelhaufenreaktor-Werkstoffs Siliziumcarbid.

2005: Die südafrikanische Reaktorbaufirma PBMR, die einen Kugelhaufenreaktor bauen wollte, wurde von mir im Rahmen meiner Zuarbeit auf dem Sicherheitsgebiet über nie aufgeklärte Probleme mit der Kugelhaufenmechanik im AVR und im THTR-300 informiert. Ich habe unter anderem im Frühjahr 2005 ein Treffen der PBMR-Fachleute u. a. mit verrenteten deutschen Experten arrangiert. Das führte zu Auseinandersetzungen mit der Jülicher Kugelhaufencommunity, die darin eine Gefahr für ihre Technologie sah.(...)

2006, Mai: FZJ-interne Diskussionsveranstaltung zum Problem des hochradioaktiven Staubes: Prof. Kugeler wirft mir vor, durch meine Aktivitäten einen weltweit anerkannten Ansatz zur Lösung des Energieproblems zu gefährden und den Kugelhaufen in den Schmutz zu ziehen.

2006, Sept.: Im Herbst habe ich zum Staubproblem in Johannesburg auf der HTR2006 vorgetragen. Reaktion der Südafrikaner: „Warum erfahren wir das erst jetzt?““ (Seite 60)

Eskalation und Vorwürfe: „Sie bringen uns alle ins Gefängnis ...“

Die Auseinandersetzung um die Veröffentlichung und Diskussion der kritischen Untersuchungen zum AVR eskalieren: „Feb. 2007: Ein AVR-Mitarbeiter warnt mich vor weiteren Recherchen zum Wassereinbruchstörfall 1978 „Sie bringen uns alle ins Gefängnis ...““ (Seite 60)

25.07.2008: Prof. Allelein lehnt meine Teilnahme an der HTR2008 schriftlich ab.

26. 7.2008: Eine (von der Firma PBMR bestätigte) Presseinformation der südafrikanischen Firma PBMR enthält die Passage, „dass nach Meinung der anderen Jülicher Fachleute mein Bericht so schlecht sei, dass ich nicht zur HTR2008 fahren dürfe.“

01.08.2008: Prof. Bachem setzt sich über das Votum von Prof. Allelein hinweg und genehmigt meine Teilnahme an der HTR2008

Sept. 2008: Im Vorfeld der Konferenz HTR2008 verweigerte mir FZJ-Vorstandsmitglied Prof. Bolt die Zustimmung zu einem Interview, um das die internationale Zeitschrift Nucleus Week mich gebeten hatte. (...)

Okt. 2008: HTR2008 – Meine Präsentation stößt auf sehr großes Interesse (alle Sitzplätze belegt)

Okt. 2008: Nach Informationen von Prof. Bachem fordert PBMR Ltd FZJ auf, meinen Bericht zurückzuziehen und droht mit Stornierung von Aufträgen an FZJ. Prof. Bachem teilt mit, dass er das abgelehnt habe.

Herbst 2008: Ich erhalte die Aufforderung zur Veröffentlichung in der Zeitschrift Kerntechnik. Prof. Allelein lehnt meinen Entwurf ohne stichhaltige Begründung ab. (...)

Dezember 2008: Da die Versuche der HTR-Befürworter zunehmen, mich als geisteskrank usw. darzustellen, fordere ich FZJ auf, im Sinne der Fürsorgepflicht dagegen vorzugehen, insbesondere gegen den Autor der Anlage 6 (des Buches, H. B.). FZJ lehnt das schriftlich ab, da es sich nicht um Beleidigungen handle und keine Wiederholungsgefahr bestehe.“ (Seite 63)

FZJ: Verschleiern, abstreiten, versprechen, hinhalten ...

Um Ausgewogenheit bemüht, hat die Jury des Whistleblowerpreises auch das Forschungszentrum Jülich zu den Vor- und Störfällen befragt. Angesichts der Tatsache, dass der AVR nur knapp an einer Großkatastrophe vorbeigeschrammt ist und der Einzigste, der das alles kritisch aufgearbeitet hatte, beschimpft und verleumdet wurde, ist die Stellungnahme der blanke Hohn und eine unverfrorene Frechheit:

„In Jülich wurde in den Jahren des Aufbaus und Betriebs des AVR-Versuchsreaktors zu unterschiedlichen Themen der HTR-Technologie geforscht. Diese forschende Auseinandersetzung mit der HTR-Technologie hat u. a. dazu beigetragen, dass Probleme des AVR-Designs transparent wurden, wissenschaftlich aufgearbeitet werden und im Ausland für dort verfolgte HTR-Projekte rezipiert werden konnten. (...)

Dass die Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor GmbH (AVR GmbH) und das Forschungszentrum Jülich eine Arbeitsgruppe zur AVR-Sicherheit gegründet haben, steht nicht im Zusammenhang mit der Arbeit oder mit Medienauftritten von Dr. Moormann, sondern ist eine Reaktion auf das Reaktorunglück in Fukushima. Es erstaunt mich, dass Sie die Zusammensetzung, Arbeitsfähigkeit und Unabhängigkeit der Arbeitsgruppe anzweifeln, noch bevor sie mit ihrer Arbeit begonnen hat.“ (Seite 103)

Uns jedoch „erstaunt“, dass bis heute noch keinerlei Ergebnisse veröffentlicht worden sind! Denn dieses Schreiben ist bereits vom 19. 5. 2011. Zur Erinnerung: Das FZ Jülich hatte schon am 11. 4. 2011 vollmundig angekündigt: „Die Arbeitsgruppe soll themenbezogen über Zwischenergebnisse ihrer Arbeit berichten. Dazu soll sie Vertreter der Kommune, des Kreises sowie der regionalen Umwelt- und Naturschutzverbände zu Austauschrunden einladen. Ebenfalls geplant sind öffentliche Informations- und Diskussionsrunden. Einen ersten Zwischenbericht soll die Arbeitsgruppe den Gesellschaftern des Forschungszentrums und den zuständigen Aufsichtsbehörden bis Ende des Jahres vorlegen“ (4). – Nichts als schöne Worte und billige Versprechungen!

Energiekonzerne kaufen sich ihre Professuren – nach 3 Jahren zahlt der Steuerzahler!

In der Einleitung geht Dieter Deiseroth auf einen oft vernachlässigten Aspekt der Einflussnahme großer Konzerne auf die Ausrichtung von Wissenschaft und Forschung ein:

„Nach einer Mitteilung des Goethe-Instituts gibt es in Deutschland mittlerweile mehr als 660 Stiftungsprofessuren, allein in Bayern 114 und in Baden Württemberg 103“. (Seite 18)

„Die Konzerne haben sich bei der Finanzierung dieser Professuren weitgehend auf regionale Zuständigkeiten geeinigt. EnBW engagiert sich in Baden-Württemberg, Vattenfall in den neuen Bundesländern, RWE in Aachen und E.ON in München. Allein der Energiekonzern EnBW hält elf Stiftungsprofessuren an deutschen Hochschulen. E.ON stiftete etwa für das Forschungsinstitut für Energie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen 40 Millionen Euro und finanziert damit gleich fünf Professuren des Instituts. (...)

Nun könnte man ja das Hohe Lied auf das Mäzenatentum singen. Doch daraus wird schnell ein Trauerspiel: denn die Stiftungsprofessuren werden nur zwischen drei bis fünf Jahren privat finanziert, anschließend werden sie aus Landes- oder Hochschulmitteln weiterfinanziert. D. h. hier kauft sich großes Geld die von ihr gewünschte Wissenschaft und von ihm (mit) ausgewählte Wissenschaftler ein, um sie dann auf Dauer dem Steuerzahler aufzuhalsen“. (Seite 19)

„Was als Mäzenatentum oder gemeinnütziges zivilgesellschaftliches Engagement daher kommt, ist das große Geld, das mit Stiftungslehrstühlen und Forschungsaufträgen den Gang der Wissenschaft oder den gesellschaftlichen Diskurs und so auch gesellschaftliche Weiterentwicklung prägt“. (Seite 21)

Die Energiekonzerne bestimmen also zu ihrem eigenen Nutzen ohne jegliche demokratische Kontrolle, an was und wie geforscht wird. Obwohl die BRD aus der Atomkraft „aussteigt“, gehen bestimmte Forschungen immer noch in eine ganz andere Richtung.

AVR-Betreiber verschleiern wirkliche Entsorgungskosten!

Zum Rückbau des verstrahlten AVR und den Entsorgungskosten schreibt Rainer Moormann:

„Hier wurde und wird generell nach Salamitaktik verfahren. Erste Kostenschätzung: 39 Mio DM und Rückbaudauer 5 Jahre, heute: 612 Mio Euro allein bis 2015. Der ursprüngliche Plan, den Rückbau als technologische Großtat zu vermarkten, scheint aber aufgegeben worden zu sein.

Behörde: Obwohl die Behörde sich in Sachen AVR-Entsorgung vom Betreiber und von FZJ getäuscht sieht, werden Informationen zu Problemen und Kosten weiterhin nur zögerlich und nur auf parlamentarische Anfragen hin weitergegeben. Was die 2010 genannten Kosten von 612 Mio Euro bis 2015 wirklich enthalten (z. B. auch Bodenreinigung?) ist immer noch unklar.

Betreiber: Der Betreiber versucht die Entsorgungsproblematik massivst schönzureden. Das 2009 erschienene Buch des Betreibers enthält viele Propaganda. Bei Kosten verbreitet der Betreiber oft nur Teilkosten, um das Problem herunterzuspielen“. (Seite 111)

Das Thema AVR-Rückbau sowie Lagerung und Transport der 288.161 radioaktiven THTR-Brennelemente von Jülich nach Ahaus wird in den nächsten Jahren die innenpolitische Diskussion mitbestimmen. Dieses Büchlein über den engagierten Whistleblower Rainer Moormann bietet umfangreiches Hintergrundwissen, wieso es zu dieser seit Jahrzehnten verfahrenen und gefährlichen Situation gekommen ist. Wir werden auf dieses wichtige Werk, das in einem renomierten Verlag veröffentlicht wurde, noch oft zurückkommen.

Horst Blume

Whistleblowing im nuklear-industriellen Komplex

Preisverleihung 2011 - Dr. Rainer Moormann

Deiseroth, Dieter; Falter, Annegret (Hrsg.)

Berliner Wissenschaftsverlag (BWV) 122 Seiten, 12,80 Euro

Anmerkungen:

1.und 2. THTR-Rundbrief Nr. 135: „Die Stunde der Wunder-Täter“

3. THTR-Rundbrief Nr. 126 „WDR-Film: Atomstrom für Afrika“

4. Siehe: http://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Pressemitteilungen

 

Mysteriöse Kügelchen am THTR gefunden!

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Am 28. Februar 2012 hat die Schülerin des Werler Ursulinengymnasiums, Samantha Seithe, den zweiten Preis von "Jugend forscht" in Dortmund im Fachgebiet Geo- und Raumwissenschaft erhalten. Das Thema lautete: "Hat das stillgelegte AKW Hamm-Uentrop seine Umwelt beeinflusst?"

In Bodenproben in der Nähe des THTR entdeckte Samantha Seithe zusammen mit dem Diplombiologen Achim Hucke als Betreuer auffällige mikroskopisch kleine Kugeln, die den PAC-Kügelchen (Plutonium, Americium, Curium) aus den THTR-Brennelementen gleichen.

Durch ihre aufwändige statistische Erfassung von 35.000 Geburts- und Sterbedaten auf den Friedhöfen im Umkreis von 15 Kilometern des Reaktors stellte sie fest, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in der Nähe des THTR geringer ist als in weiter entfernten Orten.

Zusammen mit ca. 40 anderen Wettbewerbsteilnehmern präsentierte Samantha Seithe ihre Forschungsergebnisse in der Halle der DASA in Dortmund. Das Mikroskop mit den Kügelchen und das Modell mit der Darstellung der Lebenserwartung in der Nähe des THTR konnten von den Besuchern, unter ihnen auch Günther Dietrich von der HKG, begutachtet werden. THTR-Rb-82-April-2003-Plutonium-im-GartenPikantes Detail am Rande: Der Hauptsponsor von "Jugend forscht" in Dortmund ist Kruppthyssen, die mit ihrer Tochterfirma Uhde in Dortmund noch vor wenigen Jahren die Kugelbrennelementefabrik für den geplanten Hochtemperaturreaktor in Südafrika gebaut hat (1). Der Reaktor selbst wurde allerdings nicht fertiggestellt, dafür 1,5 Milliarden (!) Euro in den Sand gesetzt.

Wir als Bürgerinitiative haben noch am gleichen Tag eine Presseerklärung abgegeben, in der wir den Sachverhalt und die notwendigen Konsequenzen differenziert dargestellt und analysiert haben:
"Wenige Tage nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl ist es 1986 zu einem Störfall mit eingeklemmten und zerstörten radioaktiven Brennelementkugeln gekommen. Da die Betreiber des Reaktors ausgerechnet genau zu dieser Zeit die Aufzeichnungsgeräte für die Überwachung der Radioaktivitätsabgabe abgeschaltet hatten, haben sie hiermit die am Abluftkamin messbaren Beweise für Kugelbruch und Kontamination der Umgebung gezielt unmöglich gemacht. (...)

Es ist allerdings kaum möglich, nur mit Mikroskopen und normalen Messgeräten zweifelsfrei festzustellen, ob es sich tatsächlich um die PAC-Kügelchen (Plutonium, Americium, Curium) aus dem THTR handelt. Letztendlich kann nur eine sehr teure, von Spezialisten durchgeführte Untersuchung (beispielsweise eine Neutronenaktivierungsanalyse) Gewissheit schaffen. Es ist sehr bezeichnend, dass sich in den 26 Jahren nach dem Störfall keine staatlichen Institutionen gefunden haben, um nach den entwichenen THTR-Kleinstkügelchen zu suchen und sich jetzt ein 11jähriges Mädchen mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln dieses wichtigen Themas annehmen muss. Deswegen fordert die BI Umweltschutz Hamm die NRW-Aufsichtsbehörden und das Bundesumweltministerium erneut auf, umfassende Untersuchungen durchzuführen."

Inzwischen hat sich das Landesinstitut für Arbeitsgestaltung bereit erklärt, im Auftrag des NRW-Arbeitsministeriums die Kügelchen zu untersuchen. Wichtig ist, dass hierbei nicht nur die Radioaktivität gemessen wird, sondern mit modernen Analysemethoden (ICP-MS) die genaue Zusammensetzung erforscht wird, um feststellen zu können, ob dieses Material aus dem Reaktor kommt. Bei einem nur kurzen "Kugeldurchlauf" oder in der anfänglichen Betriebsphase bei niedriger Leistung muss die radioaktive Strahlung der Brennelemente-Kügelchen heute nicht zwangsläufig sehr hoch sein. Die Materialanalyse hingegen könnte den wichtigen Nachweis erbringen, dass zerstörte Brennelemente aus dem THTRtatsächlich "freigesetzt" worden sind.

Anmerkungen:

THTR Nr. 100: "Die Renaissance der Atomkraft hat bereits begonnen"

THTR-Rundbrief Nr. 111: "Uhde im Blickpunkt"

Weitere Infos über die PAC-Kügelchen in den THTR-Rundbriefen:

Nr. 82 (2003): "THTR-Mikrokügelchen: Plutonium im Garten"

Nr. 108 (2006):*"THTR-Mikrokügelchen in Geesthacht"

 

Protest vor der RWE-Jahreshauptversammlung in Essen!

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Am 19. April findet in der Grugahalle in Essen die Jahreshauptversammlung des Kohle und Atomstrom Konzerns RWE statt. Dort versammeln sich jedes Jahr all diejenigen, die an der Naturzerstörung und Gesundheitsgefährdung durch den Energieriesen mit verdienen wollen, wie die Allianzversicherung und Münchener Rück.

Unbeirrt von Fukushima und dem menschengemachten Klimawandel hält der Konzern weiterhin an seinem atomar fossilen Kurs fest. RWE besitzt immer noch zwei Atomkraftwerke in Deutschland, hält Anteile an der Urananreicherungsanlage Gronau und plant jenseits der Grenzen sogar Neubauten, wie z.B. in den Niederlanden. Als Betreiber von 3 riesigen Tagebauen und 5 Kohlekraftwerken im rheinischen Braunkohlerevier ist RWE Europas größter CO2 Produzent. Auch hier ist der Konzern auf Expansionskurs und plant das Braunkohlekraftwerk Niederaussem massiv zu erweitern.

Trotz eines lächerlichen Anteils Erneuerbarer Energien von 3% gibt sich RWE als grüner Konzern, wobei der scheidende Vorstandsvorsitzende Großmann immer wieder als Toplobbyist gegen eine Energiewende auf sich aufmerksam machte. In dieses Bild passt auch das neue klimaskeptische Buch aus den Reihen von RWE "Die Kalte Sonne" in dem die fach fremden Wissenschaftler Vahrenholt und Lüning die Folgen des Klimawandels relativieren. Anders ausgedrückt: Sie befürworten den Bau weiterer Kohlekraftwerkeund und die damit einhergehende Zerstörung von Ökologie und Lebensgrundlagen weltweit. Schon im letzten Jahr gab es vielfältige Aktionen gegen die Jahreshauptversammlung, welche den Ablauf erheblich störten und sehr öffentlichkeitswirksam waren. Es war gelungen Aktivist_innen aus verschiedenen Energiekämpfen zusammenzuführen. Daran wollen wir in diesem Jahr anknüpfen, um uns gemeinsam dem Energieriesen quer zu stellen und für eine dezentrale, erneuerbare und soziale Energieversorgung zu streiten. Beteiligt euch am Widerstand gegen die Jahreshauptversammlung.

RWE vergesellschaften, Kohle und Uran in der Erde lassen! Wir stellen uns quer für eine atom und kohlefreie Energieversorgung!

PROTESTCAMP

vom 18.04. bis 19.04.2012 vor der Grugahalle Essen

Energiewende bleibt Handarbeit!

http://rweunplugged.blogsport.eu

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