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THTR Rundbrief Nr. 146, Dezember 2015:
Inhalt:
China: Neue Pläne und altbekannte Pleiten
Generation IV-Reaktoren: Weichenstellungen für die nächsten 10 Jahre
3sat – Sendung übernimmt Rhetorik der Atomindustrie!
Was wird aus den 152 Castoren in Jülich?
Hannelore Kraft ignoriert Klimaschutz und Menschenrechte
Nachruf: Wolfgang Zucht ist gestorben
Ziviler Ungehorsam und Demokratie
China: Neue Pläne und altbekannte Pleiten - Zwei neue Hochtemperatur-Reaktoren in Ruijin geplant
Neben dem meist abgeschalteten kleinen Forschungsreaktor in Peking befindet sich seit 2012 auf der Halbinsel Shandong in der Nähe der Stadt Shidaowan ein Hochtemperatur-Reaktor (HTR) im Bau. Inzwischen wurde bekannt, dass noch zwei weitere HTRs im südchinesischen Ruijin geplant sind.
Bereits im Oktober 2013 unterzeichnete die China Nuclear Engineering Corporation (CNEC) mit der Stadt Ruijin in der Provinz Jiangxi eine Rahmenvereinbarung für den Bau von zwei 600 MW Hochtemperatur-Reaktoren (1). Eine Projektgesellschaft hierfür wurde im November 2014 gegründet. Die CNEC gehört zu den zehn größten Organisationen des chinesischen militärisch-industriellen Komplexes. Sie wird zusammen mit der National Development and Reform Commission (NDRC) einen Projektvorschlag für den nationalen Entwicklungsplan vorlegen.
Die Entwicklungskommission der Provinz Jiangxi hat inzwischen die Genehmigung für die Vorarbeiten für den HTR gegeben. Mit dem Bau soll nach Angaben der oben genannten Pressemitteilung im Jahr 2017 begonnen werden. Die Fertigstellung und erste Stromproduktion ist demnach für das Jahr 2021 geplant.
Der Reaktor in Shandong
Um diese Ankündigungen genauer einordnen zu können, ist es sinnvoll zurückzublicken, wie sich der Zeitrahmen für den geplanten und immer noch nicht fertiggestellten 200 MW HTR auf der Halbinsel Shandong immer weiter nach hinten verschoben hat: Im Jahr 2005 wurde der Standort für den neuen HTR bekanntgegeben (2). Damals wurden als Termin für den Baubeginn das Jahr 2007 und für die Inbetriebnahme 2010 angegeben.
Die Realität sieht anders aus: Baubeginn war erst im Jahr 2012 (3). Als Termin für die Inbetriebnahme wurde bis vor ein paar Monaten noch Ende 2015 genannt (4). Nun wird daraus Ende 2017. Die „Tiefbauarbeiten“ für den Reaktor seien kurz vor der Fertigstellung und mit den Innenarbeiten kann bald begonnen werden, heißt es. Selbst wenn dieser Termin tatsächlich eingehalten würde, wären dies stolze acht Jahre Bauzeit! – Ein zügiger Baufortschritt ist hier jedenfalls nicht zu erkennen.
Bleibt noch die Brennelementefabrik für den geplanten HTR in Baotou in der Inneren Mongolei (5). Im THTR-Rundbrief Nr. 144 berichteten wir mit Bezugnahme auf eine chinesische Quelle, dass nach dem Baubeginn im Februar 2013 die Fabrik für die jährliche Herstellung der 300.000 Brennelemente im September 2014 fertiggestellt worden sei (6). Inzwischen existiert dieser Link nicht mehr und es wurde an anderer Stelle als Termin der August 2015 genannt (7). Von einer tatsächlichen Inbetriebnahme der Fabrik für nuklearen Brennstoff ist bis jetzt allerdings noch nichts bekannt geworden.
1. http://www.world-nuclear-news.org/NN-Ruijin-HTR-plant-proposal-progresses-2704154.html
2. Aus: "Anti Atom Aktuell", Nr. 160, 2005 Nukleare Premiere China steigt massiv ins HTR-Geschäft ein!
3. Thtr-Rundbrief Nr. 144-november-14.html#Hochtemperaturreaktor-China
4. http://www.world-nuclear-news.org/ENF-Irradiation-trials-of-HTR-PM-fuel-completed-0501154.html
5. siehe Anmerkung 3.
6. siehe Anmerkung 3.
7. siehe Anmerkung 4.
Generation IV Reaktoren:Weichenstellungen für die nächsten 10 Jahre |
In diesem Jahr wurde das Rahmenabkommen zur internationalen Zusammenarbeit bei der Forschung und Entwicklung von Atomkraftwerken der 4. Generation um zehn Jahre verlängert. Dies teilte das Generation IV International Forum (GIF) mit. Die Entwicklung und Forschung an der HTR-Reaktorlinie gehört zu den Schwerpunkten dieses Zusammenschlusses. Dieser erfolgte im Jahr 2000 auf Initiative der USA.
Heute sind 13 Länder beteiligt. Zehn davon, nämlich China, Frankreich, Japan, Kanada, Russland, die Schweiz (über das Paul Scherrer Institut), Südafrika, Südkorea, die USA und die Euratom haben das Rahmenabkommen unterzeichnet und gelten als GIF-Mitglieder. Argentinien, Brasilien und Grossbritannien sind nicht aktive Mitglieder. Über die Mitgliedschaft von Euratom können sich auch bundesdeutsche Forschungsinstitute, insbesondere das Forschungszentrum Jülich (FZJ) trotz Atomausstieg an der als Sicherheitsforschung getarnten Weiterentwicklung dieser Reaktoren beteiligen (1).
Immer wieder Südafrika
Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass Südafrika am 15. 9. 2015 seine Zusammenarbeit mit der GIF verlängert hat. Die südafrikanische Energieministerin Tina Joemat-Pettersson unterzeichnete an diesem Tag das Rahmenabkommen für die nächsten zehn Jahre (2). Zur Erinnerung: Südafrika hat insgesamt über eine Milliarde Dollar in die Entwicklung des Pebble Bed Modular Reactors (PBMR) gesteckt, um letztendlich jedoch einsehen zu müssen, dass ein derartiges anspruchsvolles Projekt in dem von Krisen geschüttelten Schwellenland nicht zu stemmen war (3). Im Jahr 2009 wurde der PBMR gestoppt.
Offensichtlich will nur sechs Jahre später eine neue Generaton uneinsichtiger und ehrgeiziger Politiker nicht von den nuklearen Visionen lassen. Bereits Anfang Juli wurde ein Abkommen zwischen Südafrika und dem russischen Staatskonzern Rosatom verabschiedet, dass umfassende Ausbildungsprogramme für 200 Studenten in Russland, sowie die Bereitstellung von Fachliteratur zum Thema Atomenergie zum Inhalt hat. Ebenfalls vorgesehen ist eine breit angelegte nukleare Propagandaoffensive: „Das Bewusstsein der Anwohner für den Einsatz fortgeschrittener Nukleartechnologien in der Energiewirtschaft und anderen Branchen soll erhöht und die öffentliche Akzeptanz für die Nutzung der Kernenergie gesteigert werden“ (4). Nach der gigantischen Verschwendung öffentlicher Mittel für den Riesenflopp PBMR scheint das offensichtlich nötig zu sein ...
Opportunismus und Wildwest
In diesem Jahr ist ebenfalls die nukleare Zusammenarbeit zwischen China und Südafrika ausgeweitet worden. Am 21. April 2015 haben die China Nuclear Engineering Group Corparation (CNEC) und die südafrikanische Nuclear Energy Corporation Ltd (Necsa) vereinbart, innerhalb der nächsten zehn Jahre bei dem Bau eines Hochtemperatur-Reaktors in Südafrika zusammenzuarbeiten (5). Die südafrikanische Botschafterin in China, Dolana Mismang, unterzeichnete während einer Zermonie die entsprechende Vereinbarung. Als Ziel wird ebenfalls „die Wiederbelebung der Atomindustrie in Südafrika“ genannt. Hierzu gehören auch die Ausbeutung von Uranminen und die Urananreicherung.
Die Zusammenarbeit zwischen China und Südafrika ist vor dem Hintergrund neuester Enthüllungen äußerst pikant: Wenige Wochen vor der Vertragsunterzeichnung enthüllten verschiedene Medien Informationen aus südafrikanischen Geheimdienstquellen, nach denen der mysteriöse Überfall inclusive Schusswechsel im südafrikanischen Atomzentrum Pelindaba im Jahr 2007 durch bewaffnete chinesische Agenten erfolgte (6). Die Beute der Chinesen: Unterlagen für den Bau von Hochtemperatur-Reaktoren!
Nach ihrem eigenen völlig gescheiterten Versuch, den PBMR zu bauen, steht jetzt die blamierte südafrikanische Atomenergieorganisation bei den wirtschaftlich und technologisch potenten Chinesen auf der Matte, um Unterstützung von genau denjenigen zu erbitten, die ihnen acht Jahre zuvor mit Wildwestmethoden wichtiges Know how gestohlen haben. – Ein Lehrstück, wie ruppig und opportunistisch zwischen „Partnern“ bei der Nutzung einer hochgefährlichen Technologie umgegangen wird.
1. Thtr-Rundbrief Nr. 122-august-08.html#Vom THTR zur Generation IV
2. http://www.nuklearforum.ch/de/aktuell/e-bulletin/suedafrika-verlaengert-gif-zusammenarbeit
4. http://www.nuklearforum.ch/de/aktuell/e-bulletin/rosatom-staerkung-der-zusammenarbeit-mit-suedafrika
5. http://www.cnecc.com/en/tabid/665/SourceId/1462/InfoID/18114/language/zh-CN/Default.aspx
6. Thtr-Rundbrief Nr. 145-mai-2015.html#THTR in China und Südafrika
3sat – Sendung übernimmt Rhetorik der Atomindustrie! |
Am 29. Oktober 2015 sendete 3sat die Wissenschaftsdoku „Tabu Kernforschung“, in der einfühlsam in Szene gesetzte StudentInnen der Kerntechnik sowie ihre Professoren sich bitterlich darüber beschweren, dass ihr „Können“ in Zukunft in der Bundesrepublik wegen des Atomausstiegs nicht mehr gefragt sei und sie womöglich ins Ausland abwandern müssen.
Demgegenüber werden in der Sendung AKW-Gegner als Menschen dargestellt, die jetzt nicht mehr so richtig weiterwissen, wie mit dem Atommüll und den Reaktorruinen umgegangen werden soll und die sich obendrein auch noch gegen eine kompetente wissenschaftliche Forschung sperren, die nach Lösungsansätzen sucht. Die umsichtigen und vorausschauenden Nuklearwissenschaftler würden hingegen daran gehindert, dringend notwendige Sicherheitsforschung zu betreiben. Dieser Tenor zieht sich durch den ganzen Film. – Eine Frechheit!
Dass genau diese Nuklearwissenschaftler für einen Großteil der AKW-Störfälle und ihre Vertuschung mitverantwortlich waren, wird in dem Film verschwiegen. Sie wollen am liebsten den Ausstieg sabotieren und weiterhin an laufenden Atomkraftwerken herumexperimentieren. „Deutschland gehen die nuklearen Fachkräfte aus, fähige Köpfe wandern ins Ausland ab, wir verlieren wichtiges Know how“- dies ist die einseitige Botschaft dieses PR-Filmes der öffentlichen Sendeanstalt 3sat.
Auf der Facebook-Seite von 3sat habe ich deswegen spontan Folgendes gepostet:
„Warum kommt in dem Film der Jülicher Professor Allelein ausführlich zu Wort, der die Störfälle im AVR Jülich seit Jahren bagatellisiert und schöngeredet hat und nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass er am liebsten mit der Weiterentwicklung der Hochtemperatur-Reaktorlinie trotz Ausstiegsbeschluss und hoher Sicherheitsrisiken weitermachen will? – Und warum kommt der Whistleblowerpreisträger Rainer Moormann, der diese Störfälle aufgedeckt hat und selbst bei vielen Nuklearwissenschaftlern auf internationaler Ebene viel beachtet wurde, warum kommt Rainer Moormann in diesem Film nicht zu Wort? Warum übernimmt dieser Film die Rhetorik der Atomindustrie („Wir haben von der Atomkraft profitiert ...“), obwohl die Gesellschaft viele Milliarden Euro verdeckter Extra-Subventionen für diese Pleitetechnologie aufbringen musste?“
Der Film entstand nicht ohne Absicht: Professor Allelein geht 2017 in Rente und möchte, dass auf seinem Lehrstuhl mit dem scheinheiligen Argument „Kompetenz für den Rückbau“ weiter an der HTR-Linie geforscht werden darf. Dabei wäre es viel sinnvoller und vor allen Dingen eindeutiger, wenn dieser Rückbau in dem neugegründeten RWTH-Entsorgungsverbund integriert werden würde. Aber genau das will die Nuklearlobby in den nächsten Monaten verhindern und spannt für diese egoistischen Interessen die Medien ein. Die rotgrüne NRW-Landesregierung könnte Einfluss nehmen und dafür sorgen, dass ausgewiesene Vertreter der Energiewende in Zukunft in Forschungseinrichtungen den Ton angeben und nicht die bornierten Verfechter einer Energieform, die in der Bundesrepublik längst von den Wählern abgewählt wurde.
Mit 3sat hat sich jedoch ein öffentlich finanzierter Fernsehsender als Propagandainstrument der Atomindustrie mißbrauchen lassen.
Hier ist der 3sat-Film einsehbar:
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=54594
Was wird aus den 152 Castoren in Jülich? |
Tausende radioaktive Brennelementekugeln aus dem längst stillgelegten Versuchskraftwerk AVR lagern in Jülich. Es ist immer noch offen, wohin sie gebracht werden sollen: ins Ahauser Zwischenlager, in die USA oder in ein neues Jülicher Zwischenlager.
Mit großer Sorge betrachten die Anti-Atom-Initiativen des überregionalen Bündnisses gegen Castorexporte und des Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen das Jülicher Atommüll-Debakel. Marita Boslar vom Bündnis gegen Castorexporte: „Nun wird der Transport der Jülicher Castoren ins Ahauser Zwischenlager immer wahrscheinlicher! – Nach unserem Kenntnisstand wird beim Bundesamt für Strahlenschutz nur der Antrag zur Einlagerung der 152 Castoren in das Ahauser Zwischenlager bearbeitet.“
Neue Verantwortlichkeiten – Fragen an BfS sollen Licht ins Dunkel bringen
Seit einigen Monaten ist das Forschungszentrum Jülich (FZJ) nicht mehr für den Atommüll zuständig. Ein neue Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH (JEN) wurde gegründet. Sie ist für den Rückbau des AVR und für den weiteren Umgang mit den rund 300 000 Brennelementen, die in 152 Castorbehältern lagern, verantwortlich. „Um da Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) nun einen ganz konkreten Fragenkatalog zugesandt“, sagt Peter Bastian. Die Anti-Atomkraft-Initiativen wollen genau wissen, welche Optionen die JEN mit dem Bundesamt für Strahlenschutz diskutiert haben und zu welcher Option Anträge gestellt wurden. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass das Forschungszentrum die damals geforderten Untersuchungen zur Erdbebensicherheit am Standort Jülich nie eingereicht hat und das Verfahren zur weiteren Lagerung des Atommülls in Jülich gar nicht mehr bearbeitet wird“, zeigt sich Peter Bastian enttäuscht. „Auch dazu haben wir dem Bundesamt konkrete Fragen gestellt.“
Starten Castortransporte bereits 2016?
Das Bundesamt für Strahlenschutz hat angekündigt, das Genehmigungsverfahren für die Einlagerung der 152 AVR-Castoren in Ahaus zum Jahreswechsel abzuschließen. Deswegen haben die Initiativen um eine zügige Beantwortung gebeten. Marlies Schmidt macht ihrem Ärger Luft: „Es ist zu vermuten, dass - wie so oft - die Feiertage missbraucht werden, um eine unliebsame Entscheidung zu verkünden.“ Sie fügt entschlossen hinzu: „Wir lassen uns nicht hinters Licht führen und werden uns weiterhin für den Neubau in Jülich und gegen die Castortransporte einsetzen.“
Zum Jahresabschluss laden die Atomkraftgegner zum weihnachtlichen Sonntagsspaziergang am 20. Dezember um 14 Uhr vor dem Ahauser Zwischenlager ein!
Für ein neues Zwischenlager in Jülich!
„Das Castor-Debakel verdeutlicht, dass das Forschungszentrum Jülich sich nie ernsthaft um seinen Atommüll gekümmert hat“, betont Siegfried Faust. Für die Atomkraftgegner gibt es nur eine Lösung: In Jülich ein neues, sicheres Zwischenlager beim Forschungszentrum zu bauen. Denn nur dort können die Castoren geöffnet und die stark porösen und brennbaren Kugeln endlagergerecht verpackt werden. Dies ist im Ahauser Zwischenlager nicht möglich. Für eine spätere Reparatur müssten die Castoren von Ahaus wieder nach Jülich zurück, weil es dort keine sogenannte „Heiße Zelle“ gibt. Siegfried Faust: „180 Kilometer quer durch NRW nach Ahaus, das ist gefährlich und unverantwortlich. Die Kosten und die Risiken tragen die Menschen in NRW. Bei Zwischenfällen betroffen wären Menschen, die entlang der Strecke wohnen, aber auch Polizisten, die Transporte sichern müssen.“
Gemeinsame Pressemitteilung des Bündnisses gegen Castorexporte und des Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen vom 27. 11. 2015
Hannelore Kraft ignoriert Klimaschutz und Menschenrechte |
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat bei ihrer Kolumbienreise vom 25. bis 27. November Werbung für NRW-Unternehmen gemacht und dabei kontroverse Themen wie Klimaschutz und Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Kohleabbau weitgehend ausgeklammert.
Zu der großen Wirtschaftsdelegation, die Kraft begleitete, gehörten unter anderem Vertreter des Stromkonzerns STEAG, der kolumbianische Steinkohle importiert, sowie von Firmen aus dem Bereich Kohlebergbau. Gerade der Kohlesektor steht in Kolumbien und anderen Ländern schon lange wegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in der Kritik. Nach Angaben von Medien und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen ging Kraft nicht näher auf Schilderungen von Gewerkschaftsvertretern und Menschenrechtsaktivisten ein und erklärte stattdessen: „Ich kann das nicht bewerten, die Menschenrechtsfragen müssen vor allem hier vor Ort geklärt werden.“
Die Organisationen kolko, Powershift und urgewald kritisieren diese Haltung von Kraft: „In den Kohleabbauregionen Kolumbiens wurden tausende Menschen umgebracht und zehntausende vertrieben. Zahlreiche Zeugen haben unter Eid ausgesagt, dass Kohlefirmen die Mörderbanden mitfinanziert haben. Trotz dieser bekannten Vorwürfe macht die Sozialdemokratin Hannelore Kraft Werbung für NRW-Bergbautechnik, ohne kritische Fragen an die anwesenden Kohle-Unternehmen zu stellen“, so Sebastian Rötters von PowerShift.
„Frau Kraft hat eine wichtige Chance verpasst, denjenigen den Rücken zu stärken, die sich für ihre Landrechte und einen funktionierenden Rechtsstaat einsetzen und dafür vielfach Todes-drohungen erhalten. Menschenrechtsfragen dürfen nicht den Wirtschaftsinteressen untergeordnet werden“, fordert Alexandra Huck von kolko – Menschenrechte für Kolumbien.
„Während in Deutschland und rund um den Klimagipfel in Paris über den Kohleausstieg diskutiert wird, fährt Frau Kraft nach Kolumbien, um Kohlebergbautechnik zu verkaufen. Das ist das völlig falsche Signal“, so Heffa Schücking, Geschäftsführerin von urgewald.
Aus: Presseerklärung von „urgewald“ vom 3. Dezember 2015. - Weitere Infos zur Kohlelobbyistin Hannelore Kraft:
Aus: "Graswurzelrevolution", Nr. 384, Dezember 2013 Kohle-Kraft: Der Egoismus regiert!
Nachruf: Wolfgang Zucht ist gestorben |
Am 17. September 2015 ist mit Wolfgang Zucht ein wichtiger Impulsgeber während der Gründungs- und Anfangsphase der Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm im Alter von 86 Jahren gestorben.
Zusammen mit seiner Frau Helga Weber-Zucht hatte er unaufdringlich, aber um so nachhaltiger seit den 70er Jahren viele Bürgerinitiativen gegen Atomkraftwerke mitgeprägt. Da Wolfgang von 1965 bis 1973 Sekretär der War Resisters International (WRI) in London war, konnte er aus einem reichhaltigen Erfahrungsschatz internationaler gewaltfreier Bewegungen schöpfen, die in der Bundesrepublik weitgehend unbekannt waren.
Als „Graswurzelwerkstatt“-Arbeiter gaben Helga und Wolfgang von 1974 bis 1980 in Kassel den „INFOrmationsdienst für gewaltfreie Organisatoren“ heraus, von dem zahlreiche Ausgaben auch nach Hamm gelangten, hier gelesen wurden und aus denen sich ein reger Briefwechsel in diesem INFO entwickelte.
Werkstatt und INFO wurden über viele Jahre hinweg nicht nur eine einzigartige Drehscheibe für ansonsten schwer erhältliche Informationen, sondern ebenfalls für äußerst nützliche Erfahrungsberichte und Reflexionen, die während der Gründungsphase von Bürgerinitiativen wichtig waren. Denn vor 1973 gab es BIs in der heutigen Form noch nicht. Wir betraten auch in Hamm 1975 bei der Vorbereitung der Gründung unserer Bürgerinitiative Neuland und waren als junge Menschen ziemlich unerfahren. Hier konnten wir lernen ohne belehrt zu werden.
Von Sozialdemokraten bis hin zu Maoisten wollten uns Viele beeinflussen und drängten uns ungefragt sehr oft vermeintlich „gute Ratschläge“ auf. Helga und Wolfgang hingegen versuchten nie jemanden zu überreden, sondern bei ihnen konnten verschiedene Personen und Gruppen ihre jeweiligen Sichtweisen und Erfahrungen zu einer bestimmten Problemstellung im INFO darstellen. In den anschließenden mitunter längeren Diskussionen kristallisierte sich in der Regel ein Ergebnis heraus, das für Viele sehr hilfreich war.
In diesem „INFO“ wurden insgesamt 19 Erfahrungsberichte über die Gründungsphase der Hammer BI geschrieben und zwar größenteils von dem inzwischen verstorbenen Theo Hengesbach. Das Zeltlager in Frielinghausen, die Besetzung des Bauplatzes vom „VEW-Informationszentrum“, die Veranstaltungen der Landjugend, Volksfest und Kundgebung am THTR, der Erörterungstermin für das zweite geplante AKW in Hamm und zum ersten Mal in der Geschichte der Umweltschutzbewegung eine sich einmischende Teilnahme an der VEW-Aktionärsversammlung in Dortmund. In diesem INFO konnte mensch ebenfalls erfahren, wie es anderen Initiativen erging, wie sie mit immer wiederkehrenden Problemen wie etwa der Diskussion der Gewaltfrage umgingen und wie sie die aktuelle Energiepolitik einschätzten.
Besonders wichtig war Wolfgang die Unterstützung der Stromgeldverweigerer-Bewegung, bei der 10 Prozent der Stromrechnung aus Protest gegen Atomkraftwerke auf ein Treuhandkonto eingezahlt wurde. Er schrieb 1977 mehrere Kapitel über Erfahrungen in anderen Ländern mit ähnlichen Kampagnen des zivilen Ungehorsams für das Büchlein „Kein Atomkraftwerk mit unserem Geld!“, welches von dem Welveraner Pastor Michael Schweizer und Theo Hengesbach herausgegeben wurde.
Wir in Hamm unterstützten diese Kampagne durch die Verteilung von viertausend Flugblättern und eigene Artikel in unseren Stadtzeitungen „Der grüne Hammer“ und „Uentroper Umweltzeitung“. Das Büchlein wurde durch die „Versandbuchhandlung Helga und Wolfgang Weber-Zucht“ vertrieben, zusammen mit hunderten anderen Publikationen. Hieraus entwickelte sich die umfassendste und bestsortierteste Versandbuchhandlung zum Thema gewaltfreie Aktionen und Pazifismus im gesamten deutschsprachigem Raum, präsent und hochgeschätzt auf vielen Kongressen, Seminaren, Aktionskonferenzen und Buchmessen. Ein eigener Verlag entstand mit Büchern von und über Gandhi, M. L. King und dem von Wolfgang sehr geschätzten Lanza del Vasto (zu dem sich sogar Ende der 70er Jahre in den südfranzösischen Larzac eine Dreiergruppe aus Hamm aufmachte ...).
In einem Leserbrief in der „Graswurzelrevolution“ schrieb ich 1978 in Ausgabe 33: „Ich habe beobachtet, daß das Kasseler ‚Info’ von vielen Leuten in der Bürgerinitiative lieber als die ‚Graswurzelrevolution’ gelesen wird, was daran liegen mag, daß das ‚Info’ persönlicher geschrieben ist und mehr Hintergrundberichte über die Lage und Arbeit von BIs und Gruppen enthält“. Erstaunlich ist, dass diese außergewöhnliche Zeitung innerhalb der vielbeforschten Medienlandschaft kaum beachtet wurde. Es liegt vielleicht auch daran, dass der Focus der Forschenden allzusehr auf das Papier ausgerichtet war und sie deswegen andere wichtige Sachverhalte nicht mitbekamen: Das freundlich-teilnehmende und bescheidene Auftreten Wolfgangs kann in einem Papierformat nur unzureichend dargestellt werden.
Später lernte ich Wolfgang bei den ganztägigen Redaktionstreffen der „Graswurzelrevolution“ näher kennen. Während ich bei manchen komplizierten und langwierigen Diskussionen schon mal öfter ungeduldig und genervt auf meinem Stuhl herumruschte, hörte Wolfgang in solchen Situationen aufmerksam und geduldig zu, um meist erst später wohlüberlegt etwas Profundes zu sagen. „Die lauten Töne, das aus Erregung schnell dahin gesagte, waren nicht seine Sache“, schrieb Elmar Klink in seinem Nachruf sehr zutreffend.
In seinem mit Helga betriebenen Verlag brachte Wolfgang auch das von dem M. L. King-Mitarbeiter Bill Moyer geschriebene Buch „Aktionsplan für soziale Bewegungen. Ein strategischer Rahmenplan erfolgreicher sozialer Bewegungen“ heraus. Moyers „Movement Aktion Plan“ (MAP) will Bürgerinitiativen zu langfristigem Denken anregen und sie vor allem dazu ermutigen, optimistisch auf ihre Teilerfolge aufzubauen.
Ein zentraler Gedanke bei diesem MAP ist, dass jeder Mensch auf seine eigene Weise seinen Platz in dem Widerstand als Aktivist, Reformer, Rebell, stiller Helfer, sporadischer Demonstrant oder Leserbriefschreiber (usw.) finden kann und gebraucht wird.
Die Wellenbewegungen, das Auf und Ab der Mobilisierungen im Laufe des jahrzehntelangen Widerstandes, sind kein Drama und nichts Beunruhigendes. Das Wissen um diese „innere Uhr“ des Widerstandes bewahrt uns vor allzugroßen Enttäuschungen und vor übertriebener Euphorie und wirkt langfristig stabilisierend. Diese Erkenntnisse waren für mich in den letzten 40 Jahren eine sehr große Hilfe.
In der Todesanzeige für Wolfgang stand in der TAZ das Zitat von Bart de Ligt: „Neue Ideen werden nur bekannt aufgrund der Beharrlichkeit einer wagemutigen Minderheit!“ Dieses Wissen bekanntzumachen, aber damit nicht aufzutrumpfen, sondern jüngere Aktive warmherzig zu ermutigen und zu unterstützen – das hat Wolfgang sein Leben lang getan. Ich werde ihn sehr vermissen.
Horst Blume
Die Gedenkseite für Wolfgang Zucht ist hier einsehbar:
http://www.dadaweb.de/wiki/Wolfgang_Zucht_-_Gedenkseite
Ziviler Ungehorsam und DemokratieEin längst überfälliger Beitrag zur Diskussion um den Widerstand von Bürgerinitiativen |
Diesen Artikel hat Wolfgang Zucht im Jahr 1980 im „Umweltmagazin“ (Nr. 1), der Zeitung des „Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz“ (BBU), geschrieben:
In der 30jährigen Geschichte der Bundesrepublik hat es wiederholt innerhalb und außerhalb der großen Organisationen wie Gewerkschaften, Parteien und Kirchen Bürgergruppen gegeben, die vergeblich versucht haben, sich Gehör zu verschaffen oder ihre Interessen durchzusetzen. Sehen wir uns andere Länder an, so finden wir, daß die Situation in fast allen parlamentarischen Demokratien ähnlich ist.
In den großen Organisationen ist für Minderheiten kein Platz – dort herrscht die Mehrheit. Die Bildung neuer politischer Parteien ist durch 5%-Klauseln und ähnliche Maßnahmen eine Sackgasse, denn sie führt entweder nicht in die Parlamente oder aber in den Parlamenten zur Wirkungslosigkeit und einem Schattendasein. Organisieren sich die Bürger, so bieten die Regierenden einen Dialog der Einbahnstraße von oben nach unten an. Dabei benehmen sie sich oft derart anmaßend, daß sich Vergleiche zum Gottesgnadentum der absoluten Monarchie geradezu aufdrängen.
Theo Hengesbach hat jetzt in seiner Broschüre „Ziviler Ungehorsam und Demokratie – Überlegungen am Beispiel der Ökologiebewegung“ auf einen Weg zur Durchsetzung von Interessen hingewiesen, der im Unterschied zu den angelsächsischen Ländern in Deutschland keine Tradition hat und der die Macht und Herrschaft der Regierenden einschränken und die Selbstorganisation und Selbstregierung der Bürger und damit die Demokratie stärken kann. Hier wird zum ersten Mal in Deutschland in etwas ausführlicher Weise diese Form des Widerstands erörtert. Es wird beschrieben, was „Ziviler Ungehorsam“ ist, wie er wirkt und wie er sich rechtfertigen läßt.
In der Verfassung der Bundesrepublik ist das Recht auf Widerstand als Reaktion auf die Erfahrungen in Nazideutschland mit aufgenommen worden. Bezeichnenderweise wird in der Diskussion um das Widerstandsrecht meist auf die Notwendikeit und Rechtmäßigkeit von Widerstand gegen Diktaturen hingewiesen. Hengesbach beschäftigt sich dagegen eingehend mit der Frage des „Zivilen Ungehorsams“ in der Demokratie und kommt dabei zu der Folgerung, daß „Ziviler Ungehorsam“ nicht nur ein Korrektiv in einer Demokratie ist, sondern auch ein basisdemokratisches Mittel zur Durchsetzung neuer Werthaltungen.
Besonders beeindruckend an dieser Broschüre ist die Art, wie drei Komplexe miteinander verknüpft werden, sodaß sie anschaulich und verständlich wirken. Es werden Fragen der Beziehung zwischen Bürger und Staat erörtert und in Verbindung gebracht zu den bisherigen Diskussionen und Aktionen zivilen Ungehorsams von Thoreau über Gandhi bis zum Widerstand gegen den Vietnamkrieg in den USA. Schließlich geht Hengesbach auf die Konflikte um die Atomenergie in der Bundesrepublik ein, wo zum ersten Mal in Deutschland „Ziviler Ungehorsam“ in etwas weiterem Rahmen diskutiert und auch durchgeführt worden ist.
Diese Broschüre ist ein längst überfälliger Beitrag, um die Bedeutung zivilen Ungehorsams für die Bürger und die Durchsetzung ihrer von Industrie, Regierung und Bürokratie eingeschränkten und unterdrückten Rechte und Interessen zu erkunden.
Daniel Berrigan, der im Widerstand gegen den Vietnamkrieg in den USA eine große Rolle gespielt hat, der Akten von Wehrpflichtigen aus „Induction-centers“ (vergleichbar mit unseren Kreiswehrersatzämtern) herausgeholt und sie mit Napalm und Blut übergossen und verbrannt hat, sagte kürzlich bei einem Besuch in der Bundesrepublik, daß der Wahnsinn der Atombewaffnung ohne zivilen Ungehorsam nicht erfolgreich zu bekämpfen sei. Der Wahnsinn der Atomenergie wiederum ist ohne den Wahnsinn der Atombewaffnung nicht denkbar und die Verbindung ist – siehe Indien, Pakistan, Südafrika – auf Schritt und Tritt spürbar.
Theo Hengesbach: „Ziviler Ungehorsam und Demokratie“, 76 Seiten, 3 DM, Versandbuchhandlung Weber-Zucht, Kassel.
Wolfgang Zucht
Liebe Leserinnen und Leser! |
Es ist wirklich traurig: Drei Nachrufe musste ich in diesem Jahr schreiben. Der Nachruf auf Wolfgang Zucht befindet sich in diesem Rundbrief. Mit Walter Mossmann ist der bekannteste Liedermacher der Anti-AKW-Bewegung gestorben. Mein ausführlicher Artikel „Der Lebensvogel singt nicht mehr“ erschien in „Graswurzelrevolution“ Nr. 401 und ist hier einzusehen:
Aus: "Graswurzelrevolution", Nr. 401, September 2015 Der Lebensvogel singt nicht mehr
Ebenfalls in diesem Jahr ist mit Arno Klönne der Mitbegründer der Ostermarschbewegung und ein wichtiger Fürsprecher der außerparlamentarischen Bewegung gestorben. Mein ausführlicher Artikel “Ein ‚schwarzer’ Roter“ erschien in „Graswurzelrevolution“ Nr. 402 und ist hier einzusehen:
Aus: "Graswurzelrevolution", Nr. 402, Oktober 2015 Ein "schwarzer" Roter
Wer sich über die lokale Energiepolitik in Hamm und Umgebung informieren will, ist bei der von Uli Mandel betreuten Homepage „Hamm gegen Atom. Erneuerbare Energien für Hamm“ genau richtig:
In monatelanger, mühevoller Kleinarbeit hat Werner Neubauer auf unserer Homepage Reaktorpleite.de eine nukleare Weltkarte erstellt. Vom Uranabbau und der Verarbeitung, über die Atomforschung und den Bau und Betrieb von Atomanlagen, bis hin zum Umgang mit Atommüll und Kernwaffen. Weltweit alles auf einen Blick mit Google Maps und zahlreichen Links und Infos:
Für die Arbeit an 'THTR Rundbrief', 'reaktorpleite.de' und 'Karte der nuklearen Welt' braucht es aktuelle Informationen, tatkräftige, frische Mitstreiter unter 100 (;-) und Spenden. Wer helfen kann, sende bitte eine Nachricht an: info@reaktorpleite.de
Spendenaufruf
- Der THTR-Rundbrief wird von der 'BI Umweltschutz Hamm' herausgegeben und finanziert sich aus Spenden.
- Der THTR-Rundbrief ist inzwischen zu einem vielbeachteten Informationsmedium geworden. Durch den Ausbau des Internetauftrittes und durch den Druck zusätzlicher Infoblätter entstehen jedoch laufend Kosten.
- Der THTR-Rundbrief recherchiert und berichtet ausführlich. Damit wir das tun können, sind wir auf Spenden angewiesen. Wir freuen uns über jede Spende!
Spendenkonto: BI Umweltschutz Hamm
Verwendungszweck: THTR Rundbrief
IBAN: DE31 4105 0095 0000 0394 79
BIC: WELADED1HAM
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