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THTR Rundbrief Nr. 87 Januar 2004
Für ein Sozialforum in Hamm: Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt!
Das 3. Weltsozialforum vom Januar 2003 im brasilianischen Porto Alegre hat mit 20.000 Delegierten von 5.700 Organisationen aus 156 Ländern und rund 100.000 Teilnehmenden zum dritten Mal in Folge neue Beteiligungsrekorde aufgestellt. Sein zeitliches Gegenstück, das Weltwirtschaftsforum der Reichen und Mächtigen in Davos wurde eindeutig in den Schatten gestellt. Inzwischen sprießen in Europa Sozialforen vielerorts aus dem Boden – als Strukturen der Mobilisierung gegen die gnadenlose Sparorgie, die Bund, Länder und Gemeinden gleichermaßen erfasst hat; zugleich als Strukturen, die als einzige in der Lage sind, die zahlreichen sozialen und politischen Gruppen und Initiativen in einem gemeinsamen Projekt zu verbinden. In allen größeren Nachbarstädten von Hamm haben im letzten Jahr Gründungsveranstaltungen mit zum Teil mehreren hundert Teilnehmern stattgefunden.
Nur in Hamm tut sich mal wieder nichts. Das muss sich ändern!
Wie in vielen anderen Städten zeigt die neoliberale Politik auch in Hamm immer mehr ihr wahres Gesicht. Der öffentliche Bereich wird zu Tode gespart: soziale Dienstleistungen, Schulen, Sportanlagen und kulturelle Einrichtungen sind die Opfer. Die davon betroffenen Menschen werden allenfalls noch als Kostenfaktoren mit zwei Beinen betrachtet. Alles was an kommunalen Unternehmen noch lukrativ zu verscherbeln ist, wird wie jüngst bei der Neuorganisation der Abwasserbeseitigung aus der Hand gegeben. Das Geld wird dagegen in fragwürdige Prestigeobjekte wie den geplanten Lippesee gesteckt.
All dies sind nicht einfach nur Schicksalsschläge, Folgen einer dunklen Macht namens "Globalisierung" oder unvermeidliche Wirkungen des Fortschritts. Es sind auch Ergebnisse einer bewusst verfolgten Politik. Die Stadt Hamm ist nicht arm, vielmehr wurden die Kassen mit Hilfe einer Steuerpolitik geleert, die den großen Konzernen Geschenke hinterher wirft.
Die Lösung gesellschaftlicher Probleme sollte nicht allein den Kräften des Marktes überlassen werden. Gute, für alle erschwingliche Dienstleistungen, Nahverkehr, Bildung, Gesundheit, Kultur sind unerlässliche Voraussetzungen eines zivilisierten Zusammenlebens und dürfen ebenso wie die natürlichen Lebensgrundlagen nicht den Profitinteressen einiger weniger geopfert werden. Ein Wirtschaftssystem, dass stattdessen Millionen Menschen zu Erwerbslosigkeit zwingt und die anderen zu Arbeitsstress, Überstunden und längerer Lebensarbeitszeit verpflichtet, ist nicht akzeptabel und muss verändert werden. Arbeitszeitverkürzung ist deshalb eine Sofortaufgabe. Die neoliberale Politik, die die Kluft zwischen arm und reich vergrößert und die Zerstörung der Natur beschleunigt, darf keine Zukunft haben.
Bisher haben einige Gruppen und Organisationen getrennt voneinander Widerstand geleistet. Gewerkschaften blieben unter sich, Projekte- und Betroffenenszene blieben unter sich, Studierende blieben unter sich.
Das neue an den Sozialforen ist, dass trotz der Verschiedenheit der vielen Gruppen sie in der Lage sind, ihren Widerstand bündeln, um etwas zu erreichen. Sozialforen sind ein offener Raum, indem die Beteiligten voneinander lernen, sich in ihrer Verschiedenheit respektieren, über gemeinsame Positionen nachdenken und effiziente Aktionen durchführen. Höchste Zeit, dass sich so etwas auch in Hamm entwickelt. Interessenten können sich gerne melden (siehe Impressum); falls sich in den nächsten Monaten etwas tut, erhalten sie eine Einladung.
Horst Blume
Liebe Leserinnen und Leser!
Mittlerweile sind wir mit unserem Internetauftritt bei der wichtigsten Suchmaschine Google unter "THTR" nicht mehr wie noch im Oktober 2003 auf Seite sieben an 74. Stelle aufgeführt, sondern auf Seite eins als Nummer eins. In diesem Jahr wird es hoffentlich in den nächsten Ausgaben des Rundbriefs genauere Informationen zu HTR‘s in China, Japan und Indien geben. Entsprechende Vorbereitungen habe ich bereits vor Wochen in die Wege geleitet.
BezieherInnen, die in den letzten zwei Jahren keine zehn oder zwanzig Euro bezahlt haben, werden hiermit daran erinnert. Immerhin sind in dieser Zeit 15 reguläre Ausgaben und ein Extrablatt erschienen! Die Kontonummer steht unten auf dieser Seite und im Impressum.
Propaganda für den HTR in DeutschlandPBMR in Südafrika vor dem aus? |
Am 05.12.2003 schrieb die FAZ auf Seite eins oben in einem Kommentar zum Export von Atomtechnologie nach China folgendes:
"(...) Die Welt hat es teils verwundert, teils belustigt zur Kenntnis genommen, dass die Deutschen ihre Spitzenstellung in dieser Technik freiwillig aufgaben und sich statt dessen auf die Herstellung von Windrädern umstellten. Der gleichfalls in Deutschland erfundene Hochtemperaturreaktor, der auch gegen die gefürchtete Kernschmelze gefeit ist, wird unterdessen in Südafrika und China zur Serienreife entwickelt. Von dort könnte er einst zurückkommen."
Am 12.12.2003 berichtete die TAZ-NRW in ihrem Artikel "Jülich macht einfach weiter" über die Fortführung der Forschungsarbeit zum PBMR in Jülich. Hier wird der atompolitische Sprecher der NRW-Grünen Rüdiger Sagel zitiert: "Man kann nicht für andere Länder an einer Technologie forschen, die in unserem Land wegen Sicherheitsmängeln eingestellt worden ist." Das Forschungszentrum Jülich bestätigt, dass zur Zeit fünf Beschäftigte von einem privaten Konsortium bezahlt an der HTR-Linie forschen. CDU und FDP finden den "Kompetenzerhalt" in Sachen Atomkraft natürlich gut und auch Rotgrün lässt die Atomforscher in einer öffentlichen Institution fleißig weitermachen. Die pessimistische Annahme der TAZ, dass der PBMR in Südafrika tatsächlich gebaut würde, wird allerdings nicht von allen geteilt.
In Deutschland haben sich die Propagandisten der Atomindustrie jedenfalls keineswegs in ihr Schicksal eines angeblichen Atomausstiegs gefügt und bereiten sich auf die Zeit in gut zwei Jahren vor, wenn die rotgrüne Regierungskoalition möglicherweise für Jahrzehnte in der politischen Versenkung verschwinden wird. An Tausenden von Kiosken lag offensichtlich im Rahmen einer gezielten PR-Aktion die Dezemberausgabe der Zeitschrift "Technology Review" mit dem auffälligen etwas veränderten gelb-roten Button "Atomkraft? Ja Bitte?" aus. In der 16seitigen Titelstory soll die geplante angeblich inhärent sichere vierte Reaktorgeneration den Lesern schmackhaft gemacht werden. Natürlich wurde der HTR bzw. PBMR mit den altbekannten Schaubildern und angeblichen Vorteilen hochgelobt; alles so wie wir es gewohnt sind. Hervorzuheben ist, dass zum Schluss eine Online-Diskussion unter www.technologyreview.de angeboten wird, die von einem der üblichen Verdächtigen moderiert wird: Von Fritz Vahrenholt, HTR-Fan und Berater des Bundeskanzlers in Energiefragen. Den THTR-RundbriefleserInnen von Ausgabe 71 bekannt als Verfasser eines Pro-HTR-Artikels im sozialdemokratischen "Vorwärts".
Die Anti-Atomkraft-Bewegung Südafrikas sieht sich im Aufwind. Nicht nur, dass gerade ein dreitägiger Weltwindenergiekongress in Kapstadt stattfand und ein Investor über 50 dieser Anlagen mit insgesamt 115 MW Leistung hier errichten will. Das wäre ziemlich genau die Menge, die der geplante PBMR produzieren sollte. Die Einsprüche gegen den geplanten Reaktor wurden gut aufgenommen, die Stadtverwaltung von Kapstadt steht voll hinter ihnen. Neben den enormen Kosten für eine Risikovorsorge spielt der Standortnachteil im Schadensfall eine große Rolle: Kapstadt und Umgebung ist neben dem Kruegerpark der Haupttourismus-Magnet des Landes. Angeblich will sogar die südafrikanische Bundesregierung aussteigen, kann das aber ohne Gesichtsverlust vor den Wahlen im April 2004 noch nicht sagen, weil schon zwei Milliarden Rand für diese Reaktorlinie ausgegeben wurden. Hoffentlich haben die Umweltschützer in Südafrika mit ihren optimistischen Annahmen recht!
Horst Blume
Botschaft mit nichtssagender Botschaft |
Am 20.11.2003 haben wir die Botschaft der Republik Südafrika in einem umfangreichen Schreiben mit zahlreichen Anlagen an unseren Brief vom Januar 2003 erinnert, der bisher nicht beantwortet wurde.
Wir schrieben unter anderem: "Es wäre sicherlich auch sehr sinnvoll, in Ihrem monatlich erscheinenden Bulletin ‚Batho Pele‘ (Die Menschen zuerst) – Auflage 16.000 Exemplare - den gegenwärtigen Sach- und Diskussionsstand darzulegen, wenn es den Anspruch haben will, einen Informationsaustausch zu wichtigen Themen zwischen Deutschland und Südafrika zu unterstützen."
Die Antwort der Botschaft am 03.12.2003:
"Sehr geehrter Herr Blume, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 20. November 2003 und Ihr weitreichendes Interesse an dem geplanten Bau eines modularen Kugelhaufenreaktors (PBMR) in Südafrika.
Wir haben Ihre Bedenken an dem Bau dieses Reaktors an das südafrikanische Ministerium für Bergbau und Energie weitergeleitet. Die südafrikanische Regierung teilt Ihre Besorgnis über die Weiterleitung von nuklearen Waffen und kontrolliert durch die zuständigen Behörden genau den Umgang mit den Materialien. Sie können sicher sein, dass Südafrika die Sicherheit der eigenen Bevölkerung, wie auch der Frieden in der Region sehr wichtig ist: wie Sie sicherlich wissen, hat Südafrika zwar Nuklearwaffen gebaut, diese aber dann aus eigenem Antrieb wieder zerstört."
Ja, damals... |
Brief an den Pressesprecher von Bundesumweltminister Trittin vom 18.11.2003:
"Lieber Michael Schroeren!
Vielleicht erinnerst Du Dich noch. Wir sind die Bürgerinitiative, die seit Mitte der 70er Jahre zum Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) in Hamm arbeitet und über die damals auch in der Zeitschrift "Graswurzelrevolution" mehrmals sehr ausführlich berichtet wurde, als Du noch Redakteur und presserechtlich Verantwortlicher unserer Zeitung warst. Zum Beispiel in der Ausgabe 18/19 (1976), wo über die Vorbereitung der Gründung unserer Bürgerinitiative berichtet wurde. Wir haben den Artikel übrigens als "historisches Dokument" im THTR-Rundbrief Nr. 67 und 68 (2000 und 2001) nachgedruckt (siehe im 'rundbrief').
Der THTR wurde zwar 1989 stillgelegt, aber das Forschungszentrum Jülich (FZJ) forschte weiter an dieser Reaktorlinie. Auch unter Rotgrün. Das Know-how wurde nach Südafrika transferiert, wo ab dem 1. Quartal 2005 die THTR-Variante Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) in Koeberg bei Kapstadt gebaut werden soll. Über diese Entwicklung wird übrigens regelmäßig in der "Graswurzelrevolution" berichtet (siehe Anlage oder unter www.graswurzel.net).
Am 18.03.2003 haben wir Bundesumweltminister Trittin in einem vierseitigen Schreiben auf diese bedenkliche Entwicklung hingewiesen, die sofortige Einstellung der Unterstützung der Forschung im FZJ gefordert und um eine Stellungnahme gebeten. Des weiteren hat der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen Münster am 10.03.2003 mehrere Fragen an den Minister gestellt (siehe Archiv).
Beide Briefe wurden bis jetzt nicht beantwortet. Dieses Verhalten ist für uns sehr enttäuschend.
Wir haben erwartet, dass zumindest ein Dialog über die angesprochenen Probleme und Fragen möglich wäre. Gerade von einem grünen Minister haben wir mehr Offenheit und Gesprächsbereitschaft erhofft. Da Du selbst in Deiner politischen Vergangenheit lange in Bürgerinitiativen und Basisgruppen mitgearbeitet hast, kannst Du dies wahrscheinlich nachempfinden.
Wir möchten deswegen an Dich als Pressesprecher des Umweltministeriums mit der Bitte herantreten, Herrn Trittin unsere Briefe und Fragen noch einmal vorzulegen und darauf zu drängen, dass sie beantwortet werden.
Zur Zeit arbeitet das FZJ immer noch an einer Expertise zum PBMR. Was sagt der Umweltminister dazu und wie sind diese Vorgänge mit einem "Atomausstieg" in Übereinstimmung zu bringen?
Als Autor der Zeitschrift "Zivilcourage" der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG/VK) – die ja bei der Gründung unserer Bürgerinitiative 1975 ebenfalls Pate gestanden hat – wird es Dich sicherlich interessieren, dass mit dem geplanten HTR weltweit Atombomben gebaut werden können, das besonders einfach Plutonium abgezweigt werden kann und die Tritiumproduktion keiner internationalen Kontrolle unterliegt (siehe hier ausführlich den beigelegten THTR-Rundbrief Nr. 86).
Der PBMR soll in Südafrika speziell für den Export gebaut und erprobt werden. Allerdings wächst der Widerstand in Südafrika gegen diese Pläne. (...) Es macht also durchaus Sinn, auch von Seiten des Umweltministeriums dergestalt aktiv zu werden, dass die Forschung im FZJ sofort gestoppt und beispielsweise kritische Stellungnahmen und Gutachten an südafrikanische Regierungsstellen und Behörden weitergegeben werden.
Unserer Meinung nach steht das Umweltministerium in der Verantwortung, etwas gegen Forschung und Bau dieser gefährlichen Reaktorlinie zu tun.
Wir würden uns jedenfalls sehr freuen, wenn Du in dieser Sache aktiv werden könntest. Anbei befinden sich mehrere Anlagen, unter anderem ein direkter Brief an Herrn Trittin."
Nachdem der entsprechende Kommentar zu dem bisherigen Ausbleiben einer Reaktion schon ausgedruckt war, kam wenige Stunden vor dem Druck ein Anruf von M. Schroeren und ich war leider nicht da. Ob er es nochmal versucht und ob etwas dabei herauskommt?
Horst Blume
Selbstverständlich keine Antwort! |
Und noch so einer: Auf unsere Fragen vom 11.07.2003 reagierte Außenminister Fischer selbstverständlich nicht. Auch auf unser umfangreiches weiteres Schreiben vom 27.11.2003 nicht. Während er sich noch am 01.11.2003 in Kapstadt in unmittelbarer Nähe des geplanten PBMR aufhielt und 14 Tage später bei der Eröffnung des neuen pompösen südafrikanischen Botschaftsgebäudes in Berlin dabei war, kümmern ihn kritische Fragen einer Bürgerinitiative nicht im geringsten. Über dieses Verhalten wundert sich selbstverständlich niemand mehr.
OB: Erledigt |
Zum Bürgerantrag: Erfahrungsaustausch zwischen Hamm und Kapstadt zum Thema Gefahren von Hochtemperaturreaktoren.
Am 08.12.2003 schrieb uns Oberbürgermeister Hunsteger-Petermann: (...) "Das in § 24 Gemeindeordnung geregelte Petitionsrecht ist ausdrücklich beschränkt auf ‚Angelegenheiten der Gemeinde‘, d. h. es ist ein konkreter Sachzusammenhang zwischen gemeindlicher Aufgabenstellung und Anregung zwingend notwendig. Hinsichtlich Ihres Begehrens (...) ist kein Bezug zu einer gemeindlichen Aufgabe erkennbar. Vielmehr ist Ihre Anregung darauf ausgerichtet, dass die Stadt Hamm außerhalb ihres Aufgabenfeldes überörtlich tätig wird. Ihre Anregung ist daher durch das Petitionsrecht der Gemeindeordnung nicht gedeckt. (...) Ich werde ihm (dem Beschwerdeausschuss) daher empfehlen, Ihre Eingabe gemäß § 4 seiner Geschäftsordnung für erledigt zu erklären. (...) Unabhängig von der rechtlichen und inhaltlichen Beurteilung halte ich es auch nicht für angebracht, dass sich eine kommunale Gebietskörperschaft ohne jeden Auftrag an eine ausländische Kommune wendet, um deren Angelegenheit meinungsbildend zu beeinflussen." Unsere Stellungnahme folgt.
Laurenz Meyer |
Eine "Frohe Botschaft" vermeldete die "Junge Welt" ausgerechnet am 24.12.2003:
"Dass sein Auftreten Assoziationen zu Hooligans nahe legt, ist sogar Bundesumweltminister Jürgen Trittin aufgefallen. Doch auch ein Unsympath und verbaler Brandstifter weiß, wann er Kreide fressen muß. Schließlich pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass er innerhalb der Berliner CDU ganz hoch als Spitzenkandidat für die nächsten Landtagswahlen 2006 gehandelt wird. Und da der SPD-PDS-Senat die Hauptstadt mit einer antisozialen Feuerwalze überzogen hat, wie sie die CDU noch nirgends hingekriegt hat, liegt es nahe, bei den nächsten Wahlen auf die soziale Karte zu setzen. Am Montag hat Meyer schon mal geübt. Auf der traditionellen Obdachlosenverkostung des Schlagerbarden Frank Zander im Hotel Estrel, es gab Gänsekeule mit Rotkohl und reichlich Bier, spielte er den Kellner und würgte sich heraus, das sei ein Zeichen ‚für mehr Menschlichkeit und mehr Solidarität‘. Die 1400 anwesenden Obdachlosen mussten sich ihr schmackhaftes Mahl also teuer erkaufen. Neben der Zurschaustellung durch die Presse wurden sie auch noch als Kulisse für einen der widerwärtigsten sozialdarwinistischen Krakeeler der deutschen Politik missbraucht."
Mahnmal "Alte Synagoge":Nach 58 Jahren das Ende eines unwürdigen Zustandes? |
Am 3. Dezember wurde das Mahnmal "Alte Synagoge" mit einer Feierstunde eingeweiht. Erst 58 Jahre nach dem Ende des Faschismus entstand an dem Standort der zerstörten Synagoge ein würdig gestalteter Platz der Mahnung und des Gedenkens.
Der "Westfälische Anzeiger" bemerkte über die Rede des Landesrabbiners Henry G. Brandt aus Dortmund nur am Rande, dass er ein Gebet in hebräischer Sprache gesprochen habe (etwas anders hat ein Rabbi nach Ansicht des WA offensichtlich auch nicht zu tun) und die Menschen aufrief, aus der Vergangenheit zu lernen. Die Unterschlagung weiter Teile des Inhalts dieser meiner Meinung wichtigsten Rede auf der Veranstaltung ist für den Journalismus des WA kennzeichnend.
Nachdem Henry Brandt den menschlichen Aspekt jüdischen Lebens in Hamm gewürdigt hatte ("sicher wurde in dieser Synagoge nicht nur gebetet, sondern auch heimlich Zeitung gelesen") redete er Klartext. Für die Errichtung des Mahnmals bedanke er sich nicht, die sei seit Jahrzehnten überfällig. Er spräche vielmehr seine Anerkennung dafür aus, dass es überhaupt noch hierzu gekommen sei.
Und: Dieses Mahnmal sei nicht für die Juden. Diese seien entweder ermordet oder vertrieben worden und die wenigen Überlebenden brauche man ganz gewiss nicht zu mahnen oder zu erinnern. Das Mahnmal sei von der Hammer Bürgerschaft für die Hammer Bevölkerung und die Zukunft werde zeigen, wie sie mit ihm umgehen werde.
Erinnern wir uns ruhig an die unrühmliche Geschichte, wie Hamm mit dem Standort der zerstörten Synagoge und dem Verhalten ihrer Bürger zur Zeit des Faschismus umgegangen ist:
Nachdem 1986 die "Naturfreunde" Hamm-Mitte erstmalig ein Denkmal forderten und in Eigeninitiative eine einfache Holztafel an diesem Ort aufstellten, riss die Kette von Peinlichkeiten und Unverschämtheiten, die mit der Errichtung eines Pissoires an dieser Stelle in den 70er Jahren ihren Höhepunkt fanden, immer noch nicht ab.
Rat und Verwaltung waren unfähig oder unwillig, diese beschämende Situation zu verändern. Neonaziaufkleber verunstalteten zwischenzeitlich die bescheidene Holztafel. Als neben dem Pissoir doch noch in den 90er Jahren ein Gedenkstein mit einem kleinen Blumenbeet errichtet wurde, stahlen Unbekannte 1998 einen dort niedergelegten Kranz. Auf dem Parkplatz fand regelmäßig ein lärmendes Kirmesspektakel statt. Wenige Zentimeter (!) vom Gedenkstein stand eine Kirmesbude und eine gedankenlose Menge trampelte Abkürzungen suchend selbst diese wenigen Quadratmeter platt. Das geschah noch vor wenigen Jahren so.
Oberbürgermeister Hunsteger-Petermann verdrängte bei der Einweihung all diese Unverschämtheiten rhetorisch geschickt durch altbekannte Betroffenheitsphrasen, damit diese sture Stadt jetzt noch halbwegs ihr Gesicht wahren konnte. Aber ich will nicht ungerecht sein. Es ist bei seiner Rede letztendlich ein Maximum dessen herausgekommen, was an politischem Anstand von einem CDU-Oberbürgermeister erwartet werden konnte.
Horst Blume
Naziaufmarsch in Hamm |
Die rechtsradikale "Kameradschaft Hamm" plant mit bundesweiter Unterstützung am 17.01.2004 einen Aufmarsch in Hamm/Bockum-Hövel. Mit dem Motto "Solidarität mit Palästina" will sie möglicherweise berechtigte Kritik vieler Menschen an der Politik der israelischen Regierung in antisemitische Ressentiments ummünzen. Antifaschisten aus Hamm und Kamen planen eine Gegendemonstration. Unter der Telefonnummer 0178-0815 sind kurz vorher genauere Informationen zu erhalten.
Für die Arbeit an 'THTR Rundbrief', 'reaktorpleite.de' und 'Karte der nuklearen Welt' braucht es aktuelle Informationen, tatkräftige, frische Mitstreiter unter 100 (;-) und Spenden. Wer helfen kann, sende bitte eine Nachricht an: info@reaktorpleite.de
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