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Die THTR-Rundbriefe aus 2007

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THTR Rundbrief Nr. 117, Nov. 2007


Mehr HTR-Förderung, aber Hurtado!

In diesem Jahr wird wieder kräftig die Werbetrommel für die HTR-Linie gerührt. Der Stuttgarten Unikurier schrieb in seiner Ausgabe 1/2007: „Über 80 Wissenschaftler und Studierende aus ganz Europa waren vom 27. Bis zum 29. März 2007 zum ersten Eurocourse zur modularen Hochtemperaturreaktortechnologie nach Stuttgart gereist. Der Kurs, den das Institut für Kernenergiesysteme (IKE) im Auftrag der Europäischen Union innerhalb des Projektes RAPHAEL durchführte, fand großen Anklang.

Modulare HTR sind in Fachkreisen als sichere Kernreaktoren anerkannt. Sie wurden schon vor fast 30 Jahren von Siemens entwickelt und haben 1989 das Genehmigungsverfahren nach §7 des Atomgesetzes erfolgreich abgeschlossen." - So erfolgreich war dieser Wunderreaktor, dass der THTR in Hamm noch im gleichen Jahr stillgelegt werden musste. Das stand da aber nicht. Weil in Europa gerade kein HTR in Betrieb ist, mussten die verhinderten Möchtegern-Katastrophenleitstandfahrer sich mit einer Vision zufriedengeben: „ Abschließend stand eine Übung auf dem Programm, bei der die Teilnehmer selbständig Simulationsberechnungen an einem virtuellen, modularen Hochtemperaturreaktor durchführen konnten.“

Bereits am 8. März 2007 fragte Dieter Hartmann in den „energie-fakten“ von der  Technologie-Transfer-Initiative an der Universität Stuttgart besorgt „Hat der Hochtemperaturreaktor Chancen?“.Bisher wurde seiner Meinung nach dem HTR lediglich der Status einer „Reservelösung“ zugestanden, wenn andere nuklearen Konzepte den Herausforderungen nicht gerecht werden könnten. Doch wenn in der Zukunft günstigere Sicherheitskonzepte, mehr Umweltverträglichkeit und eine stärkere Nutzung thermisch effizienterer Systeme gefordert werden, dann würde die Zeit für den HTR noch kommen, so sein Fazit. Aber: Der HTR wird auf die „externe Spaltstoffzufuhr angewiesen“ bleiben, im Gegensatz zu anderen Systemen. Ein Perpetuum mobile wird er nicht sein.

Das weiss auch das Deutsche Atomforum. In ihrem Jahresbericht 2006 berichtet es von den kontinuierlichen Forschungen in Jülich und über die verschlungenen europäischen Schleichwege, wie in der BRD trotz Ausstieg an der Weiterentwicklung der HTR-Linie geforscht wird: „Diese Arbeiten werden im Rahmen des EU-IP RAPHAEL durchgeführt, bei dem das FZJ Leiter des WP3 ist. Weitere Untersuchungen hinsichtlich des Endlagerverhaltens sind im neuen EU-Projekt CARBOWASTE geplant, das derzeit  beantragt wird.“ Wir haben über RAPHAEL bereits im THTR-Rundbrief Nr. 107 ausführlich berichtet. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Einbeziehung einer weiteren Hochschule: „Die Hochschule Zittau/Görlitz (FH) ist innerhalb des 6. Rahmenprogramms im EU-finanzierten Projekt RAPHAEL involviert“ (S. 67). In der Propagandaschrift „Gute Gründe für die Kernenergie“ schreibt im September 2007 das Atomforum: „ Weltweit arbeiten Experten intensiv an der Realisierung neuer Reaktortechnologien. Zehn Staaten, darunter auch die USA, Frankreich, Japan und Großbritannien haben das Projekt ‚Generation IV‘ ins Leben gerufen. Deutschland ist aufgrund politischer Entscheidungen an diesem Programm leider nicht direkt beteiligt.“ Die indirekte Beteiligung pfeifen bereits die Spatzen vom Dach. Dieser Hinweis der Atomlobby soll ganz bewusst demonstrieren, dass sich Mittel und Wege finden lassen, nationalstaatliche Verbote zu umgehen. In den Ministerien, Universitäten und Instituten formulieren sie alle schon eifrig die Förderanträge für ihre nukleare Karriere. Sie werden inzwischen nicht mehr in Berlin, sondern in Brüssel eingereicht. Das ist der Unterschied.

Hurtado hilft HTR-Forschung

Einer, der den Unterschied begriffen hat, ist Professor Antonio Hurtado. Der Spanier hat – wie sollte es anders sein – in Aachen unter dem Papa aller THTR´s, Professor Kugeler, studiert und in den Jahren 1990/91 zusammen mit diesem eine ganze Anzahl von Untersuchungen zur HTR-Linie veröffentlicht. Die Technische Universität Dresden gab am 7. 8. 2007 in einer Presseerklärung bekannt:
„Neu an die Technische Universität Dresden berufen wurde Antonio Hurtado. Er ist Professor für Wasserstoff- und Kernenergietechnik und sein Feld sind besonders Hochtemperaturreaktoren der so genannten Generation IV und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten, Wasserstoff in Hochtemperatur-Prozessen wirtschaftlich als vielfältig einsetzbaren Energieträger zu erzeugen. (...) Die Technische Universität Dresden setzt mit der Berufung von Antonio Hurtado auf die Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik ein wichtiges und zukunftsweisendes Zeichen. Schwerpunkte seiner Lehr- und Forschungstätigkeiten werden insbesondere Hochtemperaturreaktoren der so genannten Generation IV sowie die sich daraus ergebenden Möglichkeiten, Wasserstoff in Hochtemperaturprozessen wirtschaftlich als vielfältig einsetzbaren Energieträger zu erzeugen, sein.

Professor Hurtado wird sehr eng mit dem Institut für Sicherheitsforschung des Forschungszentrums Dresden-Rossendorf (FZD) zusammenarbeiten. Dieses Institut unter Leitung von Frank-Peter Weiß gehört zu den wenigen noch verbliebenen außeruniversitären Zentren in Deutschland, in denen nukleare Sicherheitsforschung betrieben wird. Hier findet Forschung zur Reaktordynamik, zur Sicherheit von Reaktorwerkstoffen und zur Thermohydraulik in internationaler Vernetzung statt. Es ist geplant, dass Prof. Hurtado eine Arbeitsgruppe an diesem Institut leiten wird.“

Dieser Coup war nur möglich, weil die Große Koalition den Ausstieg aus der Atomkraft längst zu den Akten gelegt hat und der deutschen Nuklearforschung wieder eine bessere Startposition beim Wettlauf um EU-Fördergelder für HTR-Forschung sichern will.
 
Professor Hurtado hat sich als frischberufener Professor mittlerweile mit dem Vortrag „Energie- und Umweltfragen der Insel Mallorca“ schon recht einfühlsam in die Tiefen der deutschen Volksseele eingeführt. Da in Spanien zur Zeit der Reaktordruckbehälter für den südafrikanischen PBMR produziert wird, warum denn nicht noch einen für Mallorca?? Die dankbaren Atomfreunde wären dort um eine Attraktion reicher, weil hier in der BRD leider, leider so ein Wunderding nur als Ruine zu besichtigen ist.

Was kommt dieses Jahr noch? – HTR-Veteran Dr. von Lensa, Vize-Präsident des europäischen „HTR-Technologie-Netzwerkes“ spricht am 27. 11. 2007 um 17 Uhr über die Generation IV und die HTR-Entwicklung bei der Kerntechnischen Gesellschaft (Sektion Erlangen/Nürnberg) in Grafenreinfeld.

PBMR: Graphitkugeln zu Leukämie!

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Firmen in der Bundesrepublik verdienen sich mit Nukleargeschäften eine goldene Nase. Das ist trotz „Atomausstieg“ nichts Neues. Aber es ist schon sehr interessant zu beobachten, wie gewisse historischen Kontinuiäten in die Zukunft hineinwirken.

Nehmen wir die Skandalfirma NUKEM, die in den 80er Jahren mit einem beispiellosen Bestechungssystem und geschmierter Entsorgung einen hohen Symbolwert hat. Noch im letzten Jahr ist ein absoluter „Einzelfall“ bekannt geworden, indem ein NUKEM-Manager versuchte, Verantwortliche des Tschernobyl-Reaktors zu bestechen, um Vorteile zu erlangen. Seit dem Jahre 2000 beteiligt sich NUKEM an dem Bau des südafrikanischen Pebble Bed Modular Reaktor (PBMR), indem sie das Basic Engineering und Störfallanalysen durchführen. Am 10. 8. 2007 meldete NUKEM weitere Aktivitäten:

„Dieser vierte Vertrag zwischen NUKEM und PBMR unterstreicht die gute Zusammenarbeit zwischen beiden Unternehmen. Seit dem Jahr 2000 ist NUKEM im südafrikanischen PBMR-Projekt aktiv. NUKEM zeichnet sowohl verantwortlich für das Basic- und Detail-Engineering von drei der vier wichtigsten Prozesse zur Herstellung der kugelförmigen Brennelemente als auch für zwei der Prozesse für das Recycling von Produktionsrückständen. Die Brennelementproduktion beruht auf der ehemaligen Herstellung von Brennelementen bei NUKEM / HOBEG, wo Brennelemente für die deutschen Hochtemperaturreaktoren THTR und AVR gefertigt wurden. Die PBMR-Brennelementefertigung in Pelindaba, ca. 50 km nordwestlich von Pretoria, wird errichtet, um die Brennstoffversorgung für den geplanten Kugelhaufenreaktor sicherzustellen.“

In einer Presseerklärung vom 9. 10. 2007 wird erneut betont, dass sich diese Firma in Zukunft insbesondere auf die HTR-Entwicklung „konzentriert“. Wie ungeniert  die NUKEM-Gruppe propagandistisch alles verwurstet, was sich gerade so anbietet, zeigt sich darin, dass sie sich neuerdings bei ihren Aktivitäten „Kauf und Vermarktung von russischen Urankomponenten“ auf ihrer Homepage mit dem Motto der Friedensbewegung: „Schwerter zu Pflugscharen“ schmückt!

Auch die nächste Firma kann mittlerweile mehrjährige Kontakte nach Südafrika vorweisen und expandiert dank Nukleargeschäft kräftig: Die SGL Carbon mit ihrem Produktionsstandort Meitingen (bei Augsburg), Firmensitz in Wiesbaden und Niederlassung in Südafrika. Hier geht es ebenfalls um die nukleare Brennstoffbereitstellung. Am 1. 10. 2007 meldete die Augsburger Allgemeine:

„Ein Bearbeitungszentrum für Nukleargraphit hat die Firma SGL Carbon kürzlich in Meitingen in Betrieb genommen. Wie SGL-Projektleiter Maik Baumblüth jetzt informierte, wird der Nukleargraphit für Kugelhaufenreaktoren benötigt - diese seien im Inneren von Reflektoren umgeben, die aus Graphit bestehen. In das neue Bearbeitungszentrum hat die Firma nach eigenen Angaben sieben Millionen Euro investiert. Damit seien 40 Arbeitsplätze gesichert worden, 20 davon am Standort Meitingen. (...) Es handle sich um einen ‚tollen Reaktor‘, gerät SGL-Projektleiter Baumblüth geradezu ins schwärmen (...). Gefertigt werde der Graphit in Deutschland und Frankreich, bearbeitet in Meitingen. Dann kommt er in eine klimasichere Verpackung und wird nach Südafrika verschifft. Der dort geplante neue Kugelhaufenreaktor solle zwischen 2010 und 2012 in Betrieb gehen. Das neue Bearbeitungszentrum für Nukleargraphit in Meitingen sei ein "Meilenstein in unserer Kompetenz", betonte Baumblüth. Es sei innerhalb von nur 14 Monaten errichtet worden, und man habe es zusammen mit dem südafrikanischen Kunden PBMR Ltd. einweihen können.“

Zu dieser nuklearen Aufbruchstimmung passt es allerdings so gar nicht, dass  neuerdings besorgte Anwohner des geplanten PBMR aus der Nähe von Koeberg uns als Bürgerinitiative darum bitten, Inhalte unserer Homepage weiterverbreiten zu dürfen. So ähnlich hat es 1975 in Hamm-Uentrop auch angefangen.

Zu NUKEM siehe auch die THTR-Rundbriefe Nr. 101 (2005), Nr. 107 (2006) und Nr.110 (2007).
Zu SGL Carbon siehe auch THTR-Rundbrief Nr. 102 (2005)

Urankonferenz: Der Widerstand vernetzt sich international!

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Mehr als 100 Umweltschützer aus Russland, Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Ungarn und Deutschland trafen sich am 22. September in Dortmund. Die hohe TeilnehmerInnenzahl und den konstruktiven Verlauf werten die Initiatoren zu Recht als vollen Erfolg und wird den Bürgerinitiativen weiteren Auftrieb geben. Die große bundesweite Beteiligung zeigt ebenfalls, dass inzwischen der Widerstand gegen die Urananreicherungsanlage in Gronau von vielen Gruppen mitgetragen wird.  In der Abschlusserklärung heisst es:

„Aufgerufen zu der Konferenz hatten rund 40 in- wie ausländische Gruppen und Organisationen. In Fachvorträgen und Workshops wurden zahlreiche Themenbereiche rund um die Urananreicherung lebhaft und engagiert diskutiert. In einer gemeinsamen Erklärung lehnten die Konferenz-TeilnehmerInnen die weitere Urannutzung generell ab: Sowohl der weltweite Uranabbau, die Weiterverarbeitung des Urans und der Einsatz für militärische Zwecke müsse aufgrund der großen Gefahren sofort beendet werden. Ausdrücklich forderten die TeilnehmerInnen die sofortige Stilllegung sämtlicher Urananreicherungsanlagen, da sie allein dem Weiterbetrieb der Atomkraftwerke sowie dem Bau von Atombomben dienen. In Deutschland betreibt der multinationale Urenco-Konzern in Gronau eine Urananreicherungsanlage.

Die heutige Urankonferenz ist ein wichtiger Beitrag zur grenzüberschreitenden Vernetzung der Anti-Atomkraft-Bewegung, um wirksam Widerstand gegen die internationale Atomindustrie leisten zu können. Der weltweit größte Urananreicherer, Urenco, ist rund um den Globus aktiv. Hinter der Uranindustrie stehen Regierungen und Großkonzerne wie EON, RWE und AREVA. Die Uranindustrie wird zudem massiv subventioniert. Der Uranabbau, die Anreicherung und die Lagerung des abgereicherten Uranmülls gefährden in vielen Ländern die Gesundheit der Bevölkerung sowie ihre natürlichen Lebensgrundlagen. Das ist völlig unakzeptabel.“

Die BI Umweltschutz Hamm war mit mehreren Teilnehmern an dieser Konferenz vertreten, denn auch durch Hamm fährt vom südfranzösischen Pierrelatte aus ein Zug mit dem hochgefährlichen Uranhexafluorid nach Gronau. In einer der fünf Arbeitsgruppen wurde speziell dieser Transport genauer unter die Lupe genommen. An Hand verschiedener Beispiele wurde der bisherige Widerstand in mehreren Städten entlang der Transportstrecke dargestellt und Neuhinzugekommene aus anderen Städten informiert. Die Optimierung der Früherkennung der Urantransporte,  die Verbesserung der Koordination und der Pressearbeit wurden ausführlich erörtert, damit in Zukunft noch mehr Menschen vor den gefährlichen Transporten gewarnt werden können.

Besonders interessant waren die Berichte aus den Ländern Russland, Niederlande, Frankreich und Schweden, die allesamt übersetzt wurden. Durch die internationale Vernetzung unserer Aktivitäten sind schon jetzt wichtige Erfolge sichtbar: Das Medienecho ist sehr viel besser geworden als früher. Die Urantransporte über Rotterdam, die Ostsee nach Russland werden beispielsweise genau verfolgt und durch kritische Aktivitäten begleitet. In der Abschlusserklärung heißt es dazu:

„Aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien wurde in den letzten 10 Jahren rund 100 000 t abgereichtes Uran nach Russland transportiert, wo der Uranmüll an drei Orten unter katastrophalen Bedingungen auf der offenen Wiese lagert. Dieses skrupellose Abschieben von hochgefährlichem Atommüll halten wir für kriminell. Wir fordern deshalb den sofortigen Stopp dieser Uranmülltransporte nach Russland.

Die Entsorgung des Uranmülls ist völlig ungeklärt. Bei der Urananreicherung entsteht massenhaft abgereichertes Uran als Abfall. Atommüll lässt sich aber nicht sicher entsorgen.

Die TeilnehmerInnen bekräftigen, dass es keine Trennung zwischen der militärischen und der sogenannten zivilen Urannutzung gibt – weder im Iran, noch in Russland, Brasilien oder anderswo. Wir wollen, dass das Uran im Boden bleibt: Der Atommüll muss verhindert werden, bevor er entsteht. Wir setzen uns für die Nutzung regenerativer Energiequellen ein und rufen zum Widerstand gegen die Uranindustrie auf.

Konkret wurde auf der Urankonferenz vereinbart, die internationale Kooperation zwischen den verschiedenen Gruppen und Organisationen auszubauen. Der nächste Schritt dazu ist die „European Anti Nuclear Manifestation“ vom 9.-11. November in Helsinki.  Zudem rufen die TeilnehmerInnen dazu auf, gegen die Lieferungen von Natururan aus Pierrelatte in Südfrankreich nach Gronau/D und Almelo/NL gemeinsame Protestaktionen durchzuführen. Außerdem werden die Proteste gegen die Uranmülltransporte von Gronau und Almelo nach Russland intensiviert. 2008 wird erstmals ein gemeinsamer europäischer Aktionstag gegen die Uranindustrie durchgeführt.“

Das Presseecho zur Urankonferenz kann sich sehen lassen. TAZ, Junge Welt und Neues Deutschland berichteten. Aber auch die Ruhrnachrichten in Dortmund und die Westfälischen Nachrichten in Gronau. Die ausführlichste Berichterstattung erfolgte schon kurz vor der Konferenz in Hamm. Der Westfälischer Anzeiger mit dem Artikel „Der Strahlung auf der Spur“ (18. 9. 2007) und fast eine ganze Seite mit zwei Fotos im auflagenstarken „Wochenblatt“: „Feuerwehrstützpunkt West: ‚Widersinnig‘. Hammer Bürgerinitiative fährt zum Urankongress nach Dortmund“.

Matthias Eickhoff gibt einen Überblick über die diesjährigen hoffnungsvollen Aktivitäten gegen die Uranindustrie: „Der Widerstand gegen die Urananreicherungsanlagen in Gronau und Almelo/NL sowie die damit verbundenen europaweiten Urantransporte wird internationaler und erreicht inzwischen die Konzernzentralen der deutschen Anteilseigner EON und RWE sowie die Bundesregierung. Das ist das wichtigste Fazit der engagierten Frühjahrskampagne von Anti-Atomkraft-Initiativen. Nach dem G8-Gipfel sollen die Proteste noch ausgeweitet werden.Die Anti-Atom-Bewegung verfolgt bei ihrem Kampf gegen die multinationale Urananreicherungsfirma Urenco mehrere Stränge, die sich gegenseitig ergänzen und seit einem Jahr neuen Schwung in den UAA-Widerstand gebracht haben. Niemand redet mehr davon, die UAA Gronau sei politisch durchgesetzt und Widerstand faktisch nicht mehr möglich, wie von mancher Seite 2005 nach der Erteilung der Ausbaugenehmigung durch die rot-grüne NRW-Landesregierung zu hören.

Stattdessen finden in immer mehr Ländern Aktionen gegen die Urantransporte statt.So blockierten am 12. Mai am deutsch-französischen Grenzbahnhof Perl rund 60 Leute symbolisch die Gleise, über welche die UAA Gronau aus dem südfranzösischen Pierrelatte mit „frischem“ Natururan beliefert wird. Französische Initiativen sagten dabei zu, ein eigenes Netzwerk aufzubauen, um diese Urantransporte in Zukunft zu bekämpfen. Hintergrund: In Deutschland sind die Uranzüge aus Pierrelatte die erste Stufe der Atomspirale, deshalb das einleuchtende Motto der Aktion „Den Atommüll verhindern, bevor er entsteht.“

Am anderen Ende von Europa protestierten erstmals auch Anti-Atomkraft-Initiativen aus Finnland gegen den Uranmüllexport nach Russland. Die Urenco hat in den letzten 12 Jahren schon mehr als 80 000 t abgereichertes Uran von Gronau, Almelo und Capenhurst/GB nach Russland zur Endlagerung gebracht. Am 9. Mai startete in Gronau erneut ein Megazug mit fast 1000 t abgereichertem Uran Richtung Russland. Dabei kam es in rund zehn Orten zwischen Gronau, Münster und Hengelo/NL zu Protesten an der Strecke. Mit rund 160 Leuten waren die Proteste deutlich stärker als in den letzten beiden Jahren. Prompt musste der Zug im Münsterland zweimal kurz stoppen und die Polizei organisierte einen Großeinsatz mit BGS-Hundertschaft und Hubschrauber. In den Niederlanden sorgte ein Zugunglück für mehrere Stunden Verspätung und im Rotterdamer Hafen protestierte erstmals Greenpeace Niederlande gegen die Abfahrt des Uranschiffs. Das Uranschiff MV Doggersbank fuhr dann rund um Dänemark und zwischen Kopenhagen und Malmö durch den Öresund, bevor es zwischen Helsinki und Tallinn nach St. Petersburg ging. In Russland hatten im sibirischen Angarsk bei Irkutsk, wo eine der russischen UAAs steht, schon Mitte April 1000 (!) Menschen u. a. gegen den Import von westeuropäischem Uranmüll demonstriert. Damit haben die Proteste dort bereits eine ganz eigene Dimension erreicht.

EON und RWE: Drahtzieher im Visier
Auch die Konzernzentralen von EON und RWE werden verstärkt mit den Urangeschäften ihrer Beteiligungsfirmen konfrontiert. Die Umweltorganisation urgewald organisierte auf den jeweiligen Aktionärsversammlungen im April und Mai kritische Auftritte von AtomkraftgegnerInnen aus mehreren europäischen Ländern, um die hemmungslose Atompolitik der Konzerne anzuprangern. Ein wichtiges Thema dabei: die Urananreicherung und der Uranmüllexport nach Russland. Dem EON-Vorstand war die Beantwortung der detaillierten Fragen sichtlich unangenehm, zumal der konzertierte Auftritt die harmonische Atmosphäre der Showtermine empfindlich störte.

Auch EON konnte oder wollte nicht bestätigen, was mit dem nach Russland gelieferten Uran dort wirklich passiert. Und es scheint den Managern auch egal zu sein – Hauptsache weg aus Gronau. Apropos: EONs Einstieg in den finnischen Atommarkt wurde Anfang Mai durch die intensiven Bemühungen der finnischen Anti-Atom-Bewegung gestoppt! Bei der Aktionärsversammlung von EON wurden die zunehmenden Verstrickungen mit der russischen Regierung deutlich. So ist EON-Vorstand Burckhard Bergmann nicht nur russischer Honorarkonsul, sondern auch gleichzeitig Direktoriumsmitglied bei Gazprom – zusammen mit mehreren russischen Regierungsmitgliedern! Da ist ein kurzer Draht zur russischen Regierung in Sachen Urangeschäfte natürlich garantiert.

Diese Fakten zeigen, wie wichtig eine inhaltlich orientierte Arbeit im Anti-Atom-Bereich ist. In Zusammenhang mit den EON/RWE-Aktionen sowie der internationalen Fachtagung, die von niederländischen Anti-Atom-Initiativen Ende April in Almelo organisiert wurde, konnten hier wesentliche Fortschritte erzielt werden. Doch noch liegt vieles im Dunkeln, zum Zurücklehnen gibt es keinen Anlass. Eines ist aber klar: Ohne die unermüdliche Arbeit der Aktiven wäre in der Öffentlichkeit nichts über die Urantransporte bekannt. Die gute Recherchearbeit wird inzwischen sogar von der Urenco widerwillig anerkannt. So bestätigte der Chef der Urenco Deutschland, Ohnemus, Anfang Mai erstmals vorab gegenüber dem AKU Gronau einen Urantransport mit den Worten: ‚Ja, er fährt. Das wisst ihr doch sowieso.‘“ aus: Graswurzelrevolution Nr. 320)

Den Atom-Wikis auf der Spur

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In der letzten Ausgabe des THTR-Rundbriefes haben wir einen Artikel zu Wikipedia und den Aktivitäten der Atomindustrie angekündigt. Mit welchen Methoden nimmt die Atomlobby auf öffentliche Diskussionen und auf Wikipedia Einfluss, um kritische Stimmen auszuschalten? Wie versucht sie ein ihr genehmes Meinungsklima herbeizuführen?

Hierzu ein kleines Experiment gefällig? Gerne: Man nehme zunächst als „Zutaten“ zwei kleine Fehler im letzten THTR-Rundbrief. Der Autor des dort zitierten atw-Artikels (6/2007) zum THTR hat einen anderen Vornamen als derjenige Dittrich, der Projektleiter der gleichnamigen Anlage ist und der Abbau des biologischen Schildes erfolgte natürlich 2006 im kleineren HTR in Jülich. Nun spekuliere man auch auf die Eitelkeit der Beteiligten, messe die Reaktionszeit, um die Beobachtungsintensivität unserer Homepage durch die Nuklearfreunde zu quantifizieren: Wie zuverlässig, gründlich und schnell reagieren sie auf unsere Aktivitäten? Nach wieviel Tagen würden sie sich melden? – Tagen!?! – Genau 14 Stunden, nachdem der Rundbrief ins Netz gestellt worden ist, kam per Mail ihre diesmal humorvoll gehaltene Fehlerkorrektur bei uns an.

Überhaupt nicht humorvoll sind die Vorgänge, die der weitgehend geschönten Darstellung der THTR-Stilllegung bei Wikipedia zugrunde liegen. Dort steht: „Neben den genannten Problemen führten ein Störfall mit unterstelltem Austritt von Radioaktivität am 4. Mai 1986 sowie sicherheitsrelevante und wirtschaftliche Überlegungen dazu, dass am 1. September 1989 die Stilllegung des THTR-300 beschlossen wurde.“

Unterstelltem Austritt!! - Wäre dieser Satz in den ersten Jahren nach 1986 von einem Informationsdienst verbreitet worden, der von sich aus eine gewisse Unabhängigkeit und Neutralität beanspruchen würde, dann hätte er sich in der Öffentlichkeit komplett lächerlich gemacht. 20 Jahre später sieht das offensichtlich anders aus. Ganz unten unter dem Betreiberlink stand in dem Wikipedia-Artikel auch ein Link auf unsere Homepage. Das war einem unermüdlichen Aufpasser im Sommer diesen Jahres natürlich ein Dorn im Auge. Folglich wurde er von ihm gelöscht und damit eine alternative Informationsquelle mal eben kurz wegzensiert. Was folgte, war ein langes Hickhack im Viertelstundenrhytmus. Löschen. Wiederinstallieren. Löschen. Die Atomindustrie hat offensichtlich genug Leute, die Zeit dafür haben.

Etliche Doktorandenanwärter und andere Karrierebewusste gieren geradezu danach, sich ihren (zukünftigen) Chefs als willfährige Handlanger bei der Verbreitung von geschönter Atompropaganda anzubiedern.

Organisiert und abgesprochen wird das Vorgehen unter anderem in der Kerntechnischen Gesellschaft (KTG). Unter dem sechsten Tagesordnungspunkt der 17. Tagung der KTG-Fachgruppe "Nutzen der Kerntechnik" vom 21.04.2007 in Merseburg heißt es recht deutlich: „Weitere Vorträge zum Thema: Wikipedia. Öffentlichkeitsarbeit und Arbeit an Schulen.“ In ihrem Positionspapier schreiben diese unermüdlichen Kämpfer für ihre eigenen hochdotierten Jobs:

„Ein Ausstieg aus der Kernenergie wirkt sich folglich negativ auf unsere Gesellschaft aus und ruft je nach Grad seiner Durchsetzung Leid (Kein Witz!!, H. B.) hervor. Das wird in spätestens einigen Jahrzehnten allgemein erkannt werden. Um diesen Erkenntnisprozess zu beschleunigen und somit die negativen Auswirkungen des derzeit propagierten Weg des Ausstiegs zu minimieren, wurde die Fachgruppe mit den folgenden Zielen gegründet:
    * Vermitteln des Nutzens der Kerntechnik
    * Risiken der Nichtnutzung um Grössenordnungen grösser als Risiken der Nutzung
    * Abbau von Unkenntnis über die Kerntechnik
    * Information über Funktion und Sicherheit von kerntechn. Anlagen
    * Verbesserung der Akzeptanz der Kernenergie
    * Abbau von Ängsten vor der Kerntechnik
   * Eintreten in der Öffentlichkeit für die Notwendigkeit des Betriebes und der  Weiterentwicklung von Kernkraftwerken ...“

Zur Arbeit dieser Gruppe gehören nach eigenen Angaben explizit „Zuschriften zu tendenziösen Fernseh- oder Rundfunksendungen“, „Ausarbeitung und Korrektur von kurzen Fachinformationen“ und natürlich die „Bereitstellung dieser Informationen im Internet“.

Zur Verbreitung ihrer Atompropaganda nutzen die Atomkraftlobbyisten die offenen Beteiligungsstrukturen von Wikipedia schamlos aus. Axel Meyer vom BUND schrieb in www.vorort.bund.net am 16. 8. 2007: „Schauen Sie sich (um nur ein Beispiel zu wählen) die Wiki-Seite zum AKW Leibstadt einmal an. Texte, Fotos und Grafiken (Stand Sommer 2007) könnten direkt aus einem Prospekt der Atomkonzerne stammen. Links zu den Seiten der AKW-Betreiber sind vorhanden. Links zu kritischen Seiten, wie z.B. zu denen des BUND, werden von den "Aufpassern" meist nach einer Viertelstunde gelöscht. Dafür wandern Anti-Atomseiten (mitwelt.org) dann auch schnell auf die Wiki-Spamseiten.

In den Wiki-Foren wird die Löschung von Links zu kritischen Seiten gerne mit dem Vorwurf der Ideologie begründet. Die Betreiberinfos sind natürlich "neutral, wertfrei" und damit wikitauglich. (...) Die Grafiken zur AKW-Funktion und viele Fotos stammen größtenteils aus den Werbeabteilungen der Atomindustrie. Die Funktionsdarstellungen vermitteln die Illusion geschlossener Kreisläufe in den Atomkraftwerken. Es findet sich kein Wort zur Radioaktivitätsabgabe über Abluftkamin und Abwasser.

Pervers ist es, wenn sich im Beitrag zur Kernschmelze im Schweizer Versuchsreaktor von Lucens der folgende Satz findet: ‚Der Unfall von Lucens muss aus heutiger Sicht als ein erfolgreicher Fehlschlag bezeichnet werden. Durch den Vorfall konnte in reaktor- und sicherheitstechnischer Hinsicht der Umgang mit kritischen Situationen verbessert werden.‘“

Zu einer umfassenden Darstellung einer Technologie gehört auch die Nennung der mit ihr verbundenen Gefahren und Risiken oder der bereits geschehenen Störfälle.

Damit die Öffentlichkeit in Zukunft nicht so schamlos wie bisher manipuliert wird, müssen wir auf jeden Fall wachsamer und aktiver werden. Ob in Zukunft durch ein System von Markierungen von „verlässlichen Darstellungen“ und eine stärkere Zusammenarbeit mit „erfahrenen Autoren“ (ND vom 25. 9. 2007) das Problem in den Griff zu bekommen ist, darf bezweifelt werden. Die Atomindustrie wird mit ihren Hilfstruppen und finanziellen Mitteln schnell neue Schlupflöcher finden.

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