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Nationales ABC-Einsatzkonzept - 9. -
9. Medical Task Forces
Bei einem Großschadensereignis mit einem Massenanfall an Verletzten (MANV) sollen die lokalen Einheiten des Sanitäts- und Betreuungsdienstes mit ihren Schnelleinsatzgruppen (SEGs) durch Kräfte des Bundes unterstützt werden (Versorgungsstufe 3). Das Konzept der Medical Task Forces (seltener: Medizinische Task Force - MTFs) wurde in den letzten Jahren zwischen Bund und Ländern und unter den Bundesländer kontrovers diskutiert und mehrfach überarbeitet. Im Rahmen der „Reform" des deutschen Katastrophenschutzes beschloss die Innenministerkonferenz im Juni 2007 schließlich einstimmig die Neukonzeption zum Bevölkerungsschutz auf Basis der MTFs.
Das ursprüngliche Ausstattungskonzept sah für jede MTF eine Personalstärke von 56 Mann vor, gemäß dem jüngsten Konzeptpapier („Die Medizinische Task Force - Vorläufiges Projekt- und Einsatzhandbuch") vom 1. Juli 2009 hat man die Sollstärke auf 110 Helfer angehoben, darunter 12 Notärzte und 78 Rettungssanitäter. (27) Demgemäß gliedert sich jede Medical Task Force in fünf Module: Führung, Dekontamination Verletzter, medizinische Behandlung, Transport und Logistik/Betreuung. Eine MTF verfügt i. d. R. über 20 (Kranken-)Transport- und Betreuungsfahrzeuge, darunter einen Lkw zur Dekontamination Verletzter, den so genannten „Dekon-P 2+". Wie beim Dekon-P gehören zur Stammbesatzung des Dekon-P 2+ sechs Mann; für die Dekontamination der nicht-gehfähigen Patienten werden aber 24 Mann Hilfspersonal - inklusive Sanitäter - eingeplant. Zu deren Transport ist ein so genannter Mannschaftstransportwagen „MTW+" eingeplant. Zur Durchführung der Verletztendekontamination einigten sich die Bundesländer im September 2006 auf ein Dekon-Rahmenkonzept. (28) Auf Grund ihrer Personalstärke hat die MTF eine Leistungsfähigkeit wie ein Behandlungsplatz 50 (BHP 50), mit dem innerhalb von einer Stunde 50 Patienten versorgt werden können.
Bundesweit sollen 61 MTFs aufgebaut werden, so dass jede MTF ein Gebiet im Umkreis von 50 Kilometern abdecken soll. Zur Aufstellung der Medical Task Forces wird der Bund in den kommenden Jahren den Ländern - nach unterschiedlichen Angaben - 1.220 bis 1.243 Neufahrzeuge zur Verfügung stellen. (29) Seit Monaten herrscht Unklarheit darüber, wann denn die neuen MTFs aufgestellt werden. Nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge soll mit der Reorganisation Anfang 2010 begonnen werden; bis zum Jahr 2017 sollen die 61 neuen Einheiten vollständig umgerüstet sein. Die ersten 25 Dekon-P 2+ sollen noch in diesem Jahr ausgeliefert werden. Die Kosten pro Medical Task Force belaufen sich auf 3,5 bis 4 Millionen Euro, also insgesamt fast 250 Millionen Euro.
Bis heute gibt es keine nennenswerten Kapazitäten zur Dekontamination von Verletzten (Dekon-V). Lediglich verschiedene ABC-Züge der Landkreise hatten in Eigeninitiative ihre Dekon-Duschzelte mit Rollkonstruktionen versehen, um auf die Versorgung von Patienten vorbereitet zu sein. Mit der Aufstellung der 61 MTFs mit einer Aktivstärke von rund 6.000 Mann wird hier erstmals eine nennenswerte Dekon-V-Kapazität aufgebaut, die auch bei herkömmlichen Unglücksfällen als einfache Sanitätseinheit eingesetzt werden kann.
Die 61 geplanten MTFs verteilen sich wie folgt auf die Bundesländer: Baden-Württemberg (5 MTFs), Bayern (7 MTFs), Berlin (3 MTFs), Brandenburg (5 MTFs), Bremen (1 MTF), Hamburg (2 MTFs), Hessen (4 MTFs), Mecklenburg-Vorpommern (3 MTFs), Niedersachsen (6 MTFs), Nordrhein-Westfalen (10 MTFs), Rheinland-Pfalz (3 MTFs), Saarland (1 MTF), Sachsen (3 MTFs), Sachsen-Anhalt (3 MTFs), Schleswig-Holstein (2 MTFs) und Thüringen (3 MTFs). Zur Dislozierung der MTFs gibt es zwei Varianten: Entweder die komplette MTF wird an einem Standort (z. B. Großstadt) stationiert, oder die einzelnen Module werden auf verschiedene Ortschaften verteilt. In jedem Fall soll eine MTF bei Alarmierung in 90 Minuten an ihrem Einsatzort verfügbar sein.
Für die Hilfskräfte der MTFs besteht ein hohes Einsatzrisiko, da die Sicherheitsbehörden gemäß der „Domino-Theorie" mit einem terroristischen Doppelschlag rechnen, wie dies vom Kriegsschauplatz im Irak bekannt ist: Zunächst explodiert eine Bombe; wenn die herbeigerufenen Rettungskräfte vor Ort versammelt sind, geht eine zweite (ABC-)Bombe hoch, um die Helfer zu töten. Das BBK hat daher am 14. April 2008 die „Handlungsempfehlungen zur Eigensicherung für Einsatzkräfte der Katastrophenschutz- und Hilfsorganisationen bei einem Einsatz nach einem Anschlag" (HEIKAT) herausgegeben. (30)
Kritisch zu bemerken ist, dass die Gründung der MTFs keineswegs eine Verstärkung der bestehenden Katastrophenschutzkapazitäten bedeutet, da die MTF-Helfer aus dem vorhandenen Personalreservoir der Hilfsorganisationen kommen. Es wird also kein zusätzliches Personal aufgeboten, sondern die vorhandenen Kräfte werden nur in veränderter Organisationsweise eingesetzt. Mit der Einführung der neues Fahrzeugtypen (Gerätewagen Behandlung, Gerätewagen SAN, etc.) werden die alten Fahrzeugvarianten (Arzttruppwagen, Viertragewagen, Betreuungskombi, Feldküchen, etc.) langfristig ausrangiert. Ältere noch vorhandene Bundes-Fahrzeuge werden den Bundesländern bzw. Hilfsorganisationen kostenlos überlassen und von diesen eventuell umgerüstet. Aber einige Vertreter der Hilfsorganisationen befürchten, dass die Konzentration der Bundeshilfe auf die MTFs einen Rückgang der sanitätsdienstlichen Versorgung in anderen Bereichen zur Folge haben wird, wenn die Hilfsorganisationen ab 2010 die Unterhaltskosten für die früheren Bundesfahrzeuge aus ihrem Spendenaufkommen selbst aufbringen müssen.
Zur Ergänzung der Kernelemente des ABC-Konzeptes, den ATFs und MTFs, plant der Bund den Aufbau von Unterstützungseinheiten mit 7.200 Mann (einfache Besetzung) und 1.411 Kraftfahrzeugen für Logistik und Wasserversorgung (961 Löschgruppenfahrzeuge, 450 Schlauchwagen, etc.) und 1.388 Kraftfahrzeugen zum Verletztentransport und zur Betreuung (450 Gerätewagen Betreuung, 450 Betreuungs-Kombi, 488 Krankentransportwagen Typ B, etc.). Die Kosten hierfür belaufen sich auf rund 80 Millionen Euro. Außerdem stellt der Bund weiterhin rund ein Dutzend Zivilschutzhelikopter EC 135 T2i für das System der Rettungshubschrauber zur Verfügung. Außerdem wird mit dem Aufbau der MTFs zugleich die bundesweite Sanitätsmittelbevorratung ausgebaut: An mehreren Orten werden insgesamt 24 „Basispakete" aus Medikamenten und Medizinprodukten eingelagert, um jeweils 150 Schwer- und 100 Leichtverletzte drei Tage lang versorgen zu können. Zu den Lagerorten zählen u.a. Berlin (3x Basispakete) Bottrop, Chemnitz, Dortmund, Dresden (2x), Düsseldorf, Frankfurt/Main (2x), Fulda, Georgsmarienhütte, Görlitz, Hannover, Köln, Leipzig (2x), Minden, Offenbach, Paderborn, Plauen und Stuttgart (2x).
Adresse: -
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(27) Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: Die Medizinische Task Force (MTF) - Vorläufiges Projekt- und Einsatzhandbuch, Bonn, Juli 2009
(28) Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: Rahmenkonzept zur Dekontamination verletzter Personen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe - Endfassung, Bonn, September 2006,
(29) Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: Ausstattungskonzept Medizinische Task Force (MTF), Bonn, o. D., S. 3,
(30) Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (u. a.): Handlungsempfehlungen zur Eigensicherung für Einsatzkräfte der Katastrophenschutz- und Hilfsorganisationen bei einem Einsatz nach einem Anschlag (HEIKAT), Flyer, o. O., 14. April 2008
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