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THTR Rundbrief Nr. 90 Juni 2004
EU-Anfrage zur HTR-Förderung
Nachdem sich das Bundesforschungsministerium seit über drei Monaten ausschweigt und auf unsere detaillierten Fragen zu den EU-Zuschüssen und dem eigenen Verhalten hierzu nicht antwortet und das Landesforschungsministerium in Düsseldorf ebenfalls nach zwei Monaten kurz signalisiert hat, dass eine Antwort auf einen ähnlichen Fragenkatalog noch eine Weile dauern wird, ist es uns gelungen, auf EU-Ebene die Subventionierung der HTR-Linie zum Thema zu machen. Freundlicherweise hat Hiltrud Breyer, EU-Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, in enger Kooperation mit uns Fragen an die Europäische Kommission gestellt. Ausgangspunkt sind die 17 Millionen Euro für die HTR-Forschung im Jahre 2001 im 5. EU-Rahmenprogramm. Wir dokumentieren die Fragen:
1. Wenn eine solche Förderung stattgefunden hat, von wem wurden die Anträge für die Förderung gestellt und von welcher Stelle wurden sie bewilligt? Was waren die Ausschlaggründe für die Genehmigung?
2. Handelt es sich bei dieser Förderung um eine einmalige Zahlung aus dem Jahre 2001 oder gab es vorher oder nachher noch andere Förderungen? Wenn dies der Fall ist, wie hoch waren diese Förderungen?
3. Für welche Projekte wurde das Geld bewilligt und welche Forschungsinstitutionen wurden mit dieser Aufgabe betraut?
4. Was sind die Beweggründe für die Förderung von Weiterentwicklung und Forschung von Hochtemperaturreaktoren in Europa? Was ist das Forschungsziel?
5. Sind die negativen Erfahrungen bei dem THTR Hamm-Uentrop (beispielsweise der Störfall im Jahre 1986 zeitgleich mit Tschernobyl) bei der Bewertung der Förderungswürdigkeit miteinbezogen worden?
6. Wurden die deutsche Bundesregierung und das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfahlen im Rahmen der Bewilligung der Förderungsmittel bezüglich ihrer Erfahrungen mit dieser Reaktorlinie befragt ?
7. Sind für die Zukunft weitere Forschungen und Förderungen von Hochtemperaturreaktoren vorgesehen? Wenn eine weitere Förderung geplant ist, was sind die Beweggründe dafür?"
Auf die hochoffizielle Antwort kann man gespannt sein. Wir sollten in Zukunft darauf drängen, dass auch auf EU-Ebene die HTR-Förderung verstärkt thematisiert wird. Dies geht aber nur, wenn entsprechende Informationen auf Englisch zur Verfügung stehen. Einen langen Artikel über die aktuelle weltweite Situation, den ich in der Mai-Ausgabe der "Graswurzelrevolution" geschrieben habe und der auch im Internet abrufbar ist, habe ich überarbeitet und um ein Kapitel über das Proliferationsrisiko ergänzt. Kai-Uwe Dosch, Rundbriefabonnent aus Hamm, ehemaliges Bundesvorstandsmitglied der DFG/VK und Delegierter auf der nächsten WRI (War Resisters International) – Dreijahreskonferenz in Makedonien, hat den Text übersetzt. Dieser wird in Zukunft nicht nur auf unserer eigenen Homepage zu finden sein, sondern weltweit verschiedenen Internetforen angeboten werden. Die Internationale der Kriegsdienstgegner (WRI) hat bereits über eine Massenmail ihren Mitgliedsgruppen und vielen Einzelpersonen diesen Artikel zugeschickt.
Medienecho zum HTR |
Die Zeitschrift "anti atom aktuell" (aaa) hat in ihrer Aprilausgabe (Nr. 151) auf insgesamt sieben Seiten über die HTR-Linie berichtet und dabei größtenteils Texte unserer Homepage veröffentlicht. Insbesondere wurden Gutachten von Lothar Hahn aus den Jahren 1986 und 1988 wieder auf Papier zugänglich gemacht. Zusätzlich wurde in dieser Schwerpunktausgabe "Renaissance für olle Kamellen" auf die IV. Reaktorgeneration hingewiesen und der Spiegelartikel "Die Rückkehr der Reaktoren", indem auch über den THTR berichtet wird, abgedruckt.
Die "Graswurzelrevolution" veröffentlichte in ihrer Aprilausgabe (Nr.288) einen ausführlichen Artikel über die aktuelle Situation in Südafrika und den PBMR, der auch im Internet verfügbar ist.
Die "FugE-News" aus Hamm brachten mit einer Auflage von 2.500 Exemplaren im Mai einen Artikel von mir über die EU-Gelder für HTR-Forschung.
Das Bundesforschungsministerium in Bonn antwortet seit drei Monaten nicht auf unsere Anfragen und Jülich liegt ja auch gleich nebenan. Grund genug, diesen Leuten auch medienmäßig etwas näher auf den Pelz zu rücken. In der Juni-Ausgabe der "Bonner Umwelt Zeitung" (BUZ) wird von mir in einer Auflage von 8.000 Exemplaren die neuere HTR-Entwicklung unter die Lupe genommen. Ausgangspunkt ist hierbei der Tag der offenen Tür des "Forschungszentrum Jülich" am 27. Juni. Übrigens: Wer dem FZJ an diesem Tag einen kleinen Besuch abstatten will, melde sich bei der Redaktion!
Gespräche, Vorträge, Demos und Aalglattes |
Am 21. April war MDB Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD, bei FugE wegen des Atomexportes von Hanau nach China zu Gast. Da sich dieses Thema offensichtlich erledigt hat, wurde die Gelegenheit zu einem ausführlichen Informationsaustausch zur HTR-Förderung genutzt.
Am 15. Mai habe ich auf der mit fast hundert Teilnehmern gut besuchten Mitgliederversammlung des Kreisverbandes Münster von Bündnis 90/Die Grünen einen Vortrag über die aktuelle Situation bei der europaweiten HTR-Förderung gehalten. Wir haben vereinbart, dass nach den absehbar dürftigen Antworten staatlicher Stellen auf unsere Anfragen der Münsteraner KV mit uns neue Initiativen ergreift.
Am Tschernobyl-Jahrestag (26.04.) fand in Münster eine Demonstration mit 300 Menschen ab Hauptbahnhof statt. Dort habe ich ein Flugblatt mit Hinweis auf unsere, diese Homepage verteilt, damit unser Thema stärker innerhalb der Umweltschutzbewegung beachtet wird. Das Resultat zahlloser Hinweise in Artikeln und Kleinanzeigen: In letzter Zeit haben rund 8.000 Menschen monatlich angeklickt. Um eine seriöse Aussage über die tatsächliche Besuchhäufigkeit zu erhalten, zählen wir jedoch nur diejenigen, die mindestens drei verschiedene Seiten auf unserer Homepage anwählten und dann sind es immer noch erstaunliche 2.000 monatlich!!
Diese Internetpräsenz (auch bei den Suchmaschinen) ist der Atomindustrie wohl auch aufgefallen und deswegen hat sie vor wenigen Wochen eine eigene Homepage zum THTR eingerichtet. Es ist eine aalglatte Präsentation, wie sie bei interessengeleiteten Firmen typisch ist. Störfälle und Probleme hat es nie gegeben. Diese billige Atompropaganda wird höchstwahrscheinlich auch noch vom Steuerzahler bezahlt, denn der Betreiber der Homepage ist die HKG, die ja bekanntlich Pleite ist und sich mit staatlichen Zuschüssen über Wasser hält. Es zeigt sich aber auch, das die HTR-Linie in Zukunft ein wichtiges Projekt der Atomindustrie sein wird und dass diese uns nicht allein das Feld überlassen will.
In der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte in Malente (Schleswig-Holstein) hat am 23. Mai Horst Blume einen literarisch-politischen Vortrag über Möglichkeiten und Grenzen des THTR Widerstandes in den 80er Jahren in der Bezirksvertretung Hamm-Uentrop und im Rat der Stadt Hamm (und natürlich über die wichtige Rolle der Bürgerinitiativen) gehalten, der in den nächsten Monaten zusammen mit anderen Beiträgen in einem Jahrbuch veröffentlicht werden wird.
Horst Blume
HTR: Zusammenarbeit zwischen China und Südkorea |
Die chinesische Tsinghua Universität in Peking, auf deren Gelände ein 10 MW HTR-Forschungsreaktor seit dem Jahre 2000 in Betrieb ist, hat mit dem Korean Atomic Energy Research Institute (KAERI) eine gemeinsame HTR-Forschungsgesellschaft gebildet, um ein Forschungszentrum für atomare Wasserstoffproduktion einzurichten. China selbst plant, einen 150 MW HTR im Jahre 2006 zu bauen, der 2010 einsatzfähig sein soll. Korea plant einen 300 MW HTR und behauptet, er würde 900.000 US-Dollar kosten. In Wirklichkeit wären das nur 10 % der wirklichen Baukosten.
Quelle: Nucleonics Week, 25. März 2004; zitiert in Nuclear Monitor (WISE) Nr. 607, 02.04.2004
Aachen: Rechter Professor für HTR! |
Die weit rechtsstehende Landsmannschaft-Zeitung "Ostpreußenblatt"* hat sich am 30. 6. 2001 mit dem Artikel "Ausstieg in den Abstieg" von Prof. Heinz M. Kottowski-Dümenil vehement für die verstärkte Förderung von Hochtemperaturreaktoren in Deutschland eingesetzt. Zahlreiche Autoren dieses Blattes schreiben ebenfalls in "Junge Freiheit", der in NRW-Verfassungsschutzberichten regelmäßig bis zu neun Seiten gewidmet wurden. Das Ostpreußenblatt, indem auch Mitglieder der sog. Republikaner publizieren, schrieb:
"Man sollte eines nicht vergessen: Energiefragen sind Machtfragen. Was für den Einzelnen der Brotkorb, ist für die Nation die Energieversorgung. Eine inhärent sichere Nukleartechnik, der HTR in Hamm, der bis zur Serienreife entwickelt wurde und störungsfrei arbeitete, wurde aus ideologischen Gründen nicht nur eingemottet, sondern kurzerhand abgerissen. Daran war unser derzeitiger Bundespräsident maßgeblich beteiligt. Es muß festgehalten werden, daß unsere heimische Kohle zum Verbrennen viel zu schade ist. Sie lässt sich aber mit der HTR-Technologie umweltfreundlich veredeln. (...)
Unsere Nachbarn unterstützen uns bei diesem Schildbürgerstreich. Sie wissen warum. Auch wenn unsere Regierung es herunterspielt, forscht man in den USA und anderen Ländern mit Nachdruck an Kernkraftwerken neuen Typs. So hat der US-Senat der Industrie Gelder bewilligt, um zusammen mit russischen Wissenschaftlern einen Hochtemperaturreaktor mit kugelförmigen Brennelementen zu entwickeln. Gleichzeitig untersucht man dort, in Südafrika und in China, die Möglichkeiten und Vorteile des Kugelhaufenreaktors auszunutzen. Japan untersucht ernsthaft, den Hochtemperaturreaktor zur Umwandlung von CO2 und Wasser zu Methan einzusetzen."
Sieht man sich den Lebenslauf des Autors Kottowski-Dümenil an, so fällt auf, dass er Professor an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen war, die intensiv mit dem Forschungszentrum Jülich kooperiert. Er war in der zweiten Hälfte der 90er Jahre NRW-Vorsitzender des Haider- und FPÖ-nahen "Bund freier Bürger" (BFB) und Beisitzer im Bundesverband dieser Partei. In dem sechsseitigen NRW-Verfassungsbericht über diesen Verein wurden 1999 "tatsächliche Anhaltspunke für den Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung" festgestellt. Unter anderem wurde darauf hingewiesen, dass der BFB antisemitische Ressentiments schürt. Im Sommer 2001 hatte das Antifaprojekt an den Aachener Hochschulen nach einem Hinweis der VVN-BdA die Fachschaft Metallurgie und Werkstofftechnik darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Professor in der neofaschistischen Denkfabrik "Nation & Europa" publiziert und hier auf seine Tätigkeit an der RWTH verwies. In den 80er Jahren druckte diese Zeitschrift sogar Anzeigen zur Unterstützung des Apartheidregimes in Südafrika ab: "Solidarität mit Weiss-Afrika"! Nach dem Bekannt werden dieser Aktivitäten wurden die Vorlesungen von Prof. Kottowski-Dümenil abgesetzt.
"Das Ostpreußenblatt" nennt sich seit 2003 "Preußische Allgemeine Zeitung" und wirbt seitdem mit einer "nationalliberalen" Ausrichtung.
Was weiss das NRW-Forschungsministerium? |
Am 23. März 2004 schrieben wir an das NRW-Forschungsministerium folgenden Brief:
"In den letzten Monaten haben unsere neuen Erkenntnisse zu HTR-Forschung und –Förderung unter anderem im Forschungszentrum Jülich (FZJ) Dimensionen offenbart, die wir in dieser Form nicht erwartet haben. Wir sind sehr erstaunt darüber, wie wenig gerade von Ihrer Seite getan wurde und wird, alle Zusammenhänge und Aktivitäten in diesem Bereich wirklich offen und transparent zu benennen und hierdurch einen öffentlichen Dialog und eine öffentliche Meinungsbildung zu diesem Sachverhalt erst möglich zu machen.
Durch die 10%ige Beteiligung des Landes NRW an dem FZJ stehen Sie mit in der Verantwortung für dortige Aktivitäten und auch für die Unterlassung der Gefahrenabwehr durch die Duldung einer gezielten, planmäßig durchgeführten und von dem FZJ möglicherweise eigenmächtig initiierten Förderung einer hochgefährlichen Energieform. Gerade Ihre Verantwortung ist besonders groß, weil mit der HTR-Technologie in NRW – also Ihrem Zuständigkeitsbereich – unzählige negative Erfahrungen gemacht wurden, die schließlich zu der Stilllegung des THTR in Hamm-Uentrop geführt haben.
Die bekannteste Zeitschrift der Atomkraftbetreiber selbst ist es, die ganz klar die federführende Rolle und die Verantwortung für die zielgerichtete, weltweite Förderung der HTR-Linie durch das FZJ und damit auch durch Ihr Ministerium benennt: "Ein wichtiger Punkt werden dabei die Beziehungen zur Amerikanischen Generation IV International Forum sein. Dieses Forschungsprojekt soll die internationale Zusammenarbeit bei der Auslegung mehrerer Reaktoren der vierten Generation koordinieren, darunter auch der südafrikanische ‚Pebble Bed Modular Reactor‘, für den die grundlegende Entwicklungsarbeit im Forschungszentrum Jülich geleistet wurde." ("Atomwirtschaft" – atw – in dem Bericht über die Veranstaltung "Internationale Kooperation aus Sicht der IAEO" vom 24. 10. 2000 in Bonn)
Inzwischen haben wir erfahren, dass in NRW auch unter Ihrer Aufsicht und Zuständigkeit die wissenschaftlichen Grundlagen für eine neue, 2. Generation von HTR Atomreaktoren gelegt wurden. (...)
Für uns ergeben sich unter anderem aus diesen Informationen folgende Fragen, um deren Beantwortung wir bitten:
1. Wie bewertet Ihr Ministerium die in NRW gemachten Erfahrungen mit der HTR-Technologie und welche Konsequenzen ziehen Sie hieraus?
2. Hat Staatssekretär Hartmut Krebs als Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates des Forschungszentrums Jülich und als Vertreter Ihres Ministeriums in der Vergangenheit im Rahmen einer Debatte über die Forschungspolitik dieses Zentrums auf die in NRW gemachten negativen Erfahrungen mit der HTR-Technologie hingewiesen, auf eine Beendigung der HTR-Forschung gedrängt und bei der Diskussion um die Forschungsziele ein eindeutiges Votum abgegeben und alle anderen Möglichkeiten der Einflussnahme genutzt, um die – möglicherweise - ablehnende Position der Landesregierung gegenüber dieser Energieform nachdrücklich deutlich zu machen?
3. Parlamentarische Abende, Arbeitskreise, Symposien, Fachtagungen, Podiumsdiskussionen, Werkstattgespräche und Konferenzen finden jedes Jahr an zahlreichen Terminen im FZJ statt. Haben Mitglieder Ihres Ministeriums bisher hier oder in anderer Form die Gelegenheit wahrgenommen, die Politik dieses Forschungszentrums – zielgerichtet die HTR-Linie weltweit neu zu etablieren – kritisch hinterfragt und auf eine Beendigung dieser strategischen Forschungsausrichtung gedrängt?
4. Haben Sie von der Förderung der HTR-Linie auf EU-Ebene gewusst?
5. Mit welchen EU-Gremien arbeitet Ihr Ministerium bei der Abstimmung und Ausrichtung der Forschungsförderung im Bereich Energiepolitik zusammen und was haben Sie konkret unternommen, um die HTR-Förderung in diesem Bereich zu verhindern? Haben Sie oder die NRW-Landesregierung der Nutzung von EU-Mitteln für HTR-Forschung zugestimmt?
6. Wie werden Sie in Zukunft auf Bestrebungen reagieren, mit EU-Mitteln in NRW an der HTR-Linie weiterzuforschen?
7. Im Rahmen des weltweit agierenden HTR Technology Network (HTR-TN), das sich massiv für die Renaissance der Hochtemperaturreaktoren einsetzt, ist unter anderem auch der in NRW ansässige Bund Deutscher Techniker e. V. Hagen (BDT) aktiv. Sehen Sie sich angesichts der Aktivitäten des HTR-TN und seiner Mitglieder – die offensichtlich auch öffentliche Mittel für ihre Projekte erhalten - genötigt, Initiativen zu ergreifen, die eine kritischere Sicht dieser Reaktorlinie gegenüber diesen Vereinen und Organisationen seitens Ihres Ministeriums deutlich macht oder finden Sie diese Aktivitäten begrüßenswert?
8. (...) Wie sehen Sie heute das Proliferationsrisiko der HTR-Linie, insbesondere im Lichte der offensiven Bemühungen des FZJ, dieser Reaktorlinie weltweit zum Durchbruch zu verhelfen?"
Beschwerliche Stellungnahme der Verwaltung im Ausschuss |
Nachdem zunächst der Termin zur Behandlung unseres Antrages "Erfahrungsaustausch Hamm-Kapstadt über HTRs" im Beschwerdeausschuss über sechs Monate auf die lange Bank geschoben werden sollte, ging es plötzlich verdächtig schnell. Innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Benachrichtigung sollte der Antrag und insbesondere die neueste, ablehnende Verwaltungsvorlage schnell am 31. März durch gewunken werden. Diese Vorlage 3946/04 hatte unter anderem folgenden Inhalt:
"Das Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Bau des HTR’s in Hamm-Uentrop wurde etwa Mitte/Ende der sechziger Jahre in Gang gesetzt, 1989 erfolgte die Stilllegung. Die ‚Erfahrungen‘ der Stadt Hamm hinsichtlich des Betriebs und der Sicherheit beziehen sich somit auf einen Zeitraum, der ca. 15 – 40 Jahre zurückliegt. Aufgrund des technischen Fortschritts, gesetzlicher Änderungen und gesellschaftlicher Entwicklungen sind die in diesem weit zurückliegenden Zeitraum gewonnenen Erkenntnisse sicher nicht mehr verwertbar für ein in der Planung befindliches Projekt.
Der gewünschte ‚Erfahrungsaustausch‘ wäre nur dann sinnvoll, wenn eine dem Thema angemessene Beratung ermöglicht werden kann. Andernfalls würde eine Initiative gefördert, wo fachliche Gesichtspunkte nicht im Vordergrund stehen. Die Stadt Hamm verfügt wegen fehlender Zuständigkeiten über keine wissenschaftlich ausgebildeten Mitarbeiter mit der erforderlichen Fachkompetenz."
Rede von Horst Blume vor dem Beschwerdeausschuss der Stadt Hamm am 31.03.2004:
"Zunächst einmal möchte ich mein Befremden darüber ausdrücken, dass wir bis letzte Woche Freitag davon ausgehen mussten, dass die Behandlung dieser Eingabe im Beschwerdeausschuss erst nach 6 ½ Monaten möglich sein würde. Dass diese Sitzung jetzt plötzlich nach 5 Monaten kurzfristig doch noch einberufen wurde, ist eine echte Überraschung. Denn innerhalb von zwei Arbeitstagen ist von der Stadtverwaltung in Kapstadt natürlich keine offiziell legitimierte Anfrage mit der Bitte um einen Erfahrungsaustausch über Hochtemperaturreaktoren zu erhalten.
Der Inhalt dieser Eingabe zielt nicht nur allein auf einen Erfahrungsaustausch ab, sondern auch auf eine solidarische Anteilnahme der Hammer Bürgerschaft. Das verbindende Element stellt eine weltweit einzigartige Reaktorlinie dar, mit der die Stadt Hamm und seine Bürger aufgrund zahlloser Störfälle und Pannenserien sozusagen als Versuchskaninchen jahrzehntelange Erfahrungen sammeln mussten. Diese Erfahrungen sollten unserer Meinung nach an die Stadt Kapstadt weitergegeben werden.
Wenn ein Mensch sich ohne sein eigenes Wissen in eine große Gefahr begibt, wird er normalerweise von den Umstehenden gewarnt. Niemand würde sich mit der fadenscheinigen Begründung herausreden wollen, dass der Gefährdete nicht extra gefragt habe. In der Politik werden andere Maßstäbe angelegt, wie wir der Beschlussvorlage entnehmen können.
(...) Wenn jetzt die Stadtverwaltung die Erfahrungen der Stadt Hamm mit diesem Reaktor in die 60er Jahre verschieben will, so ist dies ein durchsichtiger Versuch, einen lästigen Problemfall in eine weit zurückliegende Vergangenheit zu entsorgen. Doch noch 1992 ist bei dem sogenannten Tritiumstörfall radioaktiv verseuchtes Wasser in das Erdreich entwichen. Bis 1995 fand ein Runder Tisch statt, bei dem auch kommunale Vertreter die Probleme des THTRs diskutierten. Das zuständige NRW-Ministerium spricht auch heute noch in dem monatlich erscheinenden Strahlenschutzbericht vom "StilllegungsBETRIEB" des THTR!
Bis Ende 1995 hat die Stadt Hamm für rund 120.OOO DM im Rahmen einer AB-Maßnahme einen Physiker beschäftigt. Sein Auftrag, ich zitiere: "Darstellung der historischen Entwicklung des THTR 300 in Hamm und dessen Stilllegung unter besonderer Berücksichtigung des sicherheitstechnischen Aspektes". Das war nicht vor 40 Jahren, sondern ist gerade einmal gut 8 Jahre her! Die Stadt Hamm verfügt über ein umfassendes Archiv von Gutachten, Stellungnahmen und erarbeitetem Wissen. Genau dieses Wissen sollte ohne große Kosten und Mühe anderen Kommunen und Interessenten unbürokratisch zugänglich gemacht werden.
Die konstruktionstechnischen Grundlagen des Kugelhaufenreaktors haben sich in den letzten Jahren nicht grundlegend geändert. Der Forschungsreaktor in Peking, der im Jahre 2000 in Betrieb genommen wurde, funktioniert ziemlich genauso, wie der THTR in Hamm-Uentrop. Das gleiche gilt für den geplanten Pebble Bed Modular Reaktor bei Kapstadt.
Prof. Knizia von der THTR Betreiberseite hat in der Zeitschrift "Atomwirtschaft" (atw Nr. 2) im Jahre 2002 in einem langen Artikel (der fast ein Viertel der gesamten Zeitung einnahm) noch einmal darauf hingewiesen, dass das Grundkonzept der Hochtemperaturreaktorlinie weltweit auf dem des THTR´s in Hamm-Uentrop begründet ist und die heutigen Planungsversionen allesamt direkt auf dem Hammer Reaktor aufbauen.
(...) Da sich in Hamm der einzige HTR der Welt befindet, der über das Stadium eines Forschungsreaktors hinausgekommen ist, können Sie sich allmählich mit dem Gedanken vertraut machen, dass in den nächsten Jahren zahlreiche Nachfragen zu den Hammer Erfahrungen gestellt werden.
Die FAZ vom 5. Dezember letzten Jahres schrieb auf Seite eins: "Der in Deutschland erfundene Hochtemperaturreaktor (...) wird unterdessen in Südafrika und China zur Serienreife entwickelt. Von dort könnte er einst zurückkommen." Das Minderheitenvotum der Enquete-Kommission "Nachhaltige Energieversorgung" von CDU und FDP kündigte 2002 die massive Förderung der HTR-Linie und den Neubau dieser Reaktoren in Deutschland an.
Ich denke, die Stadt Hamm kann vor ihrer eigenen Vergangenheit nicht weglaufen. Sie sollte sich der Tatsache stellen, dass sie Standort einer weltweit höchst umstrittenen, pannenträchtigen Reaktorlinie war und und immer noch ist.
Es sollte in Zukunft selbstverständlich sein, dass Informationen über Erfahrungen mit diesem Reaktor interessierten Institutionen unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden, damit sich andere Menschen ein umfassendes Bild machen können und nicht nur auf die Angaben von Atomkraftwerksbetreibern und ihren Forschungsinstituten angewiesen sind."
Verlauf der Sitzung:
Nachdem Horst Blume in einer Rede den Antrag der Bürgerinitiative begründet hatte, entstand eine rege Diskussion mit immerhin insgesamt sieben Teilnehmern, in der neben Verständnisfragen von einigen Parlamentariern auch eigene unterstützende Überlegungen für einen Erfahrungsaustausch geäußert wurden. Bei der Abstimmung erhielt der Verwaltungsvorschlag, von Hamm aus keine eigenen Initiativen zu ergreifen, die Mehrheit. Allerdings wurde von Vertretern der Grünen und der SPD darauf gedrängt, dass bei zukünftigen Anfragen von ausländischen Institutionen die Stadt Hamm vorhandene Gutachten und Materialien zur Verfügung stellt. Diesem Ansinnen konnte sich der anwesende Oberbürgermeister Hunsteger-Petermann unter der Bedingung, dass hierbei nicht gegen bestehende Gesetze, Verordnungen und Vereinbarungen verstoßen werden dürfe, nicht verschließen. Das ist immerhin etwas.
Liebe Leserinnen und Leser!
In diesen Wochen feiern die badisch-elsässischen Bürgerinitiativen ihr dreißigjähriges Bestehen. Sie zeigen auch heute noch, dass diese Bewegung immer noch sehr lebendig ist. Damit dies so bleibt, könnten wir – beispielsweise - ein paar Euro für diesen Rundbrief ganz gut gebrauchen.....
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