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THTR Rundbrief Nr. 119, Januar 2008
Leukämie auch in Hamm?
Ausgerechnet der THTR-Störfall-Reaktor wird nicht untersucht!
Details der KIKK-Studie, in der die Kinder-krebshäufigkeit in der Umgebung von Atomkraftwerken untersucht wurde, sind im Laufe des 10. Dezembers vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ins Netz gestellt worden. Ausgerechnet der Thorium Hochtemperatur-Reaktor in Hamm-Uentrop, der nicht nur durch eine ganze Serie von Pannen von sich Reden machte, sondern deren Betreiber zeitgleich während der Katastrophe in Tschernobyl im Jahre 1986 einen gravierenden Störfall zu vertuschen suchten; ausgerechnet dieser Reaktor wird in dieser Studie nicht untersucht! – Es ist unfassbar!
Die Begründung, von den ca. 17 Atomkraftwerken ganz speziell diesen Reaktor auszuschließen, ist fadenscheinig: Forschungsreaktoren und Anlagen mit kurzer Betriebsdauer wurden nicht unter die Lupe genommen. Als ob nicht gerade bei diesen Anlagen mit höchsten Sicherheitsproblemen zu rechnen wäre!
Von der ersten nuklearen Kettenreaktion im Jahre 1983 bis zu dem Stilllegungsbeschluss im Jahre 1989 lief der THTR insgesamt 16.410 Betriebsstunden. Kurze Betriebsdauer?
Im Gegensatz zu dem 15 MW-THTR der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor (AVR) in Jülich betrug die Leistung des THTR Hamm das Zwanzigfache. Er war nach Angaben der Betreiber (Knizia) ein Prototyp; stellte also die erste betriebsfähige Ausfertigung einer speziellen Atomanlage dar.
Die Tatsache, dass Filteranlagen und Messgeräte ausgerechnet während des Störfalls 1986 abgeschaltet waren, veranlasste Tausende von Menschen Zufahrtsblockaden an der Anlage durchzuführen, über die selbst der Schriftsteller Umberto Eco im fernen Italien in seiner Tageszeitungs-Kolumne berichtete.
Der Tritiumstörfall im Jahre 1992, bei dem radioaktives Wasser über lange Zeit in das Erdreich versickerte, zeigt, dass auch nach der offiziellen Stilllegung eines Reaktors noch jede Menge passieren kann!
Ein Grund, warum die KIKK-Studie erstellt wurde, ist die mit 17 erkrankten Kindern weltweit höchste Leukämierate in der Elbmarsch in der Nähe des Atomkraftwerkes Krümmel und der Forschungsanlage Gesellschaft zur Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt (GKSS).
Und dieser Umstand hat sehr viel mit Hamm und dem THTR zu tun:
Während eines kerntechnischen Experimentes in der GKSS ist es am 12. September 1986 zu einer Explosion gekommen, in deren Verlauf es vermutlich zu einer Freisetzung von radioaktiven Kleinstkügelchen gekommen ist, die Uran, Thorium und Plutonium enthalten. Sie haben einen Durchmesser von weniger als einen halben Millimeter. Genau diese mit dem Auge kaum noch sichtbaren Kleinstkügelchen sind ebenfalls Bestandteil der Brennelementekugeln des THTR Hamm! Mehrere Zehntausend dieser Kügelchen befinden sich in einer großen THTR-Kugel.
Bekanntlich sind während der THTR-Betriebsdauer aufgrund technischer Probleme insgesamt 8.000 dieser großen Brennelemente zerstört worden. Da Filter gewechselt und Messgeräte während des Betriebes schon mal abgestellt wurden, könnten diese radioaktiven Kleinstkügelchen unbemerkt durch den Wind weitergetragen worden sein und immer noch irgendwo herumliegen!
In Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben diese freigesetzten Kleinstkügelchen zu etlichen Landtags-Untersuchungskommissionen, heftigen Gutachterstreitereien und 15 jährigen Protesten gegen die Verschleierung eines skandalösen Zustandes geführt.
Es ist naheliegend, dass weder das BfS noch die Bundesregierung ein Interesse daran haben, dass in NRW den radioaktiven Kügelchen des THTR eine ähnliche Aufmerksamkeit zuteil wird, wie in Norddeutschland. Deswegen, so die Vermutung der Hammer Bürgerinitiative, sollte wohl der THTR aus der Untersuchung ganz herausgehalten werden.
Auf der Strecke bleibt das Leben und die Gesundheit der Bürger in der Umgebung von Hamm.
Der Leukämie-Studien-Störfall und ein störrischer Oberbürgermeister: Eine vorweihnachtliche Ochsentour |
Drum hört den Apotheker,
der laut und deutlich spricht:
Es gibt für vieles Medizin
Doch gegen Strahlung nicht.
Wer hätte gedacht, dass der von Walter Mossmann in dem Lied „Die Wacht am Rhein“ beschriebene Apotheker ganze 35 Jahre nach der Entstehung dieses Liedes sogar am THTR im WDR-Fernsehen warnen würde?? Die münsteraner Folkmusikgruppe Fiedel Michel, die in den 70er Jahren das Lied als „Wacht an der Lippe“ sang, sicher ebenfalls nicht.
Am Anfang stand erwartungsvolles Warten auf die angekündigte KIKK-Kinderleukämiestudie. Was würde sie zum THTR sagen? Dann stellte das Bundesamt für Strahlenschutz mehrere hundert Seiten ins Netz. Der THTR wurde allerdings bei der Untersuchung völlig ausgespart, mussten wir enttäuscht feststellen. Doch dieses Ereigniss entwickelt in den nächsten Tagen eine ganz eigene Dynamik:
10. Dezember 2007
Als Erster prescht der WDR vor und meldet: „Krebsrisiko: Hamm-Uentrop wurde nicht untersucht. (...) Begründet wird dies mit der geringen Betriebsdauer des Reaktors.“
11. Dezember 2007
In der Lippewelle Hamm kommen AKW-Gegner in dem Beitrag „Erhöhen Kernkraftwerke das Krebsrisiko?“ zu Wort: „Sie fordern die Landesregierung auf, auch die Anlagen in Gronau und Ahaus zu untersuchen sowie die Umgebung des THTR in Hamm. Bis zu seiner Stillegung im Jahre 1989 habe es hier schwere Pannen gegeben. Durch die Studie sehen sich die Anti-AKW-Initiativen bestätigt. Denn sie zeige, daß auch die sogenannte Niedrigstrahlung unterhalb zulässiger Grenzwerte gesundheitliche Schäden verursachen könne.“
12. Dezember 2007
Nachdem zuvor im Münsterland und Hamm eifrig an Presseerklärungen gefeilt wurde, brichten die Medien sehr ausführlich. Im Westfälischen Anzeiger (WA) wird erstmals über die radioaktiven PAC-Kügelchen in Gesthacht berichtet (höchste Kinderleukämie weltweit) und dass sie auch im THTR zur Anwendung kamen. – Ein Novum. Hamms Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann bekundet auf Nachfrage, dass er die Einbeziehung des THTRs in eine Studie nicht aktiv unterstützt, die Forderung „aber auch nicht abwegig“ findet: „Ich hätte nichts dagegen, wenn Hamm und der THTR aufgenommen würde.“ Sehr engagiert klingt dies nicht. Es wird sich nochmal rächen.
Von ganz entscheidender Bedeutung für den Fortgang der Ereignisse ist der Artikel im „Soester Anzeiger“ auf der Seite Lippetal. Denn diese Gemeinde liegt in der vorherrschenden Windrichtung des THTR. Und das wissen die dortigen Bürger nur zu genau. Es ist schon sehr erstaunlich und hoffnungsvoll, wie tiefgehend hier in einer Gegend, wo seit 25 Jahren keine organisierte Anti-Atom-Gruppe mehr wirkte, die Analyse doch sein kann:
„Und auch Lippetals SPD-Fraktionschef Herbert Schenk schließt sich an. Er kennt selbst aus dem eigenen Umfeld Fälle von Leukämie in der Gemeinde Lippetal. "Das Unbehagen ist auch 18 Jahre nach Abschalten des Reaktors groß", meint Schenk. Hätte die Studie auch den abgeschalteten THTR 300 in Uentrop erfasst, wäre das sicher für viele Bürger und besonders von Krebskrankheiten betroffene sehr beruhigend, so der SPD-Fraktionsvorsitzende. Gerade auch im Hinblick darauf, dass an der Hochtemperatur-Technik weiter geforscht wurde und diese in Südafrika und China und anderen Teilen der Welt wieder eingesetzt werden soll, wären die Ergebnisse einer solchen Studie sehr hilfreich.“
Heute werden ebenfalls die Presseerklärungen der Münsterländer Initiativen und des Bundesverbandes Bürgerinititiven Umweltschutz (BBU) in mehreren überregionalen Zeitungen wiedergegeben. Der Autor dieser Zeilen hat an diesem Tag Geburtstag und nimmt mehr Anrufe und Mails von besorgten Bürgern entgegen als Glückwünsche. Das, was wir immer wieder gesagt haben, wird 18 Jahre nach der Stilllegung des THTRs von betroffenen Bürgern bestätigt. Es ist ein seltsames, gemischtes Gefühl, da es für einige Menschen sehr ungute Konsequenzen hat.
13. Dezember 2007
Auf der Homepage des WA und Soester Anzeigers wird ein Diskussionsforum zum Thema THTR eingerichtet. Auch hier ist die Beteiligung aus dem Windschatten des Reaktors größer. Die Berliner Tageszeitung „Junge Welt“ schreibt: „Nach Bekanntwerden der Studie über mehrere Kinderkrebsfälle in der Umgebung von Atomkraftwerken bleibt der große Aufschrei in der Gesellschaft aus. Auch die Anti-Atombewegung hält sich mit Reaktionen bemerkenswert zurück. Eine Ausnahme ist Nordrhein-Westfalen. Hier fordern mehrere Bürgerinitiativen, die Untersuchungen nicht nur auf Leichtwasserreaktoren zu beschränken.“ Die JW erwähnt die Anlagen in Gronau, Ahaus und Hamm ausführlich und stellt den Zusammenhang zur Kinderleukämie in der Elbmarsch her.
Die Grünen im NRW-Landtag bleiben ebenfalls nicht untätig. Für die Sitzung des NRW-Umweltausschusses am 9. Januar 2008 legen sie einen Fragenkatalog vor und verweisen auf die in der Studie unbeachteten Atomanlagen in Jülich, Hamm, Ahaus und Gronau.
Und so ganz nebenbei: Der Deutsche Bundestag diskutiert über die KIKK-Studie. Die NRW-Anlagen kommen allerdings in der ausführlichen Debatte nicht vor.
Der WA zitiert eine Zuschrift aus seinem Internetforum in der Papierausgabe: „Ich habe vor einigen Jahren selbst einen guten Bekannten durch Blutkrebs verloren. Vor 17 Jahren hat niemand einen Zusammenhang zwischen THTR und dessen Erkrankung gesehen. (...) Ein Grund nachzuhaken und nachzufragen.“
14. Dezember 2007
Mit den Atomanlagen in NRW befasst sich der WDR in einem ausführlichen Artikel auf seiner Homepage und zitiert Florian Emrich vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS): „Dass es notwendig ist, die NRW-Standorte ebenfalls zu untersuchen, schließt der BfS-Experte dennoch nicht aus.“ Die NRW-Landesregierung stellt sich bei der Befragung durch den WDR ein komplettes Armutszeugnis aus:
„Dass um das damals störanfällige, stillgelegte Atomkraftwerk Hamm-Uentrop Untersuchungen notwendig sein könnten, kann Neuser für das NRW-Energieministerium jetzt schon verneinen. "Die Studie hat ja auch nur in Betrieb befindliche Atomanlagen einbezogen." Das Werk in Hamm wurde dagegen 1988 abgeschaltet und einbetoniert. "Da gibt's also nichts mehr zu messen", stellt Neuser klar. "Völliger Quatsch", empört sich dagegen Atomkraftgegner Matthias Eickhoff. "Radioaktivität verschwindet nicht über Nacht." 1986 war es in Hamm zu einem Störfall gekommen, bei dem radioaktive Elemente in die Umgebung ausgetreten waren.“
Unter der Überschrift „17 Leukämietote“ berichtet der WA, dass im Jahre 2006 nach Angaben des Landesamtes für Statistik in Hamm 17 Menschen an Leukämie starben. „Seit dem Jahr 2005 gibt es in Münster das Krebsregister für das Land NRW, aber dieses befindet sich noch im Aufbau“. Es hat also nach Tschernobyl ganze 18 Jahre gedauert, bis der NRW-Landtag sich zu einem Krebsregister durchringen konnte. Ein Armutszeugnis.
Auch in Hamms Nachbarstädten Ahlen und Beckum weiss man inzwischen, was es geschlagen hat. Dort liest man nämlich „Die Glocke“, welche unsere Presseerklärungen sehr ausführlich zitiert.
15. Dezember 2007
Die Hammer Grünen fordern im WA den Oberbürgermeister auf, seine guten Kontakte im Land und Bund zu nutzen und eine Untersuchung für Hamm und Umgebung durchzusetzen: „Jetzt ist der OB gefragt“.
16. Dezember 2007
Der in Ahaus stattfindende Sonntagsspaziergang am THTR-Brennelemente-Zwischenlager, auf den in den Medien vermehrt hingewiesen wurde, findet unter dem Thema KIKK-Studie statt.
Laurenz Meyer und Sigmar Gabriel diskutieren in der Talkshow von Anne Will über die Studie. In dem anschließenden Chat bekennt Meyer sich zu unserem Pleitereaktor: „Die Forschung in Deutschland im Bereich der Kernenergie ist völlig zum Erliegen gekommen. Ich finde das sehr bedauerlich, weil wir mit unserer Sicherheitstechnik einen großen Beitrag zur Sicherheit von Kernkraftwerken in der übrigen Welt geleistet haben, und leisten können. Inzwischen sind andere Länder in der Welt, wie Frankreich, wie die USA, hier führend, und der sichere Hochtemperaturreaktor, den wir in Deutschland beschlossen haben wird jetzt in Südafrika und in Japan gebaut, und die deutschen Forscher arbeiteten dort vor Ort. (...) Die Strahlenbelastung in der Umgebung von Kernkraftwerken ist deutlich geringer als etwa die natürliche Strahlenbelastung, die in manchen Teilen Deutschlands gegeben ist, oder etwa die Strahlenbelastung durch einen längeren Flug in einem Flugzeug.“
Er ist immer noch das alte Ekel. Hoffentlich haut er bald nochmal auf den Putz, das mobilisiert die Gegenseite ungemein.
18. Dezember 2007
Der Soester Anzeiger schreibt: „Viele Lippetaler sind enttäuscht, weil der THTR 300 an der Westgrenze Lippetals in der ‚Epidemiologischen Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken“ (KIKK) weggelassen worden ist. (...) Mit Stimmen aller drei Fraktionen fordert der Rat die verantwortlichen Stellen inzwischen auf, auch für den stillgelegten THTR und seine Umgebung eine Studie zu erstellen und das Ergebnis möglichst schnell vorzulegen.“
19. Dezember 2007
Die Ratsfraktion der Grünen in Hamm legt einen Antrag vor, in dem die Verwaltung die Landesregierung auffordern soll, eine entsprechende Studie zu erstellen. Die Kommune soll sich notfalls selbst finanziell beteiligen. Die nächste Ratssitzung ist in Hamm am 29. Januar 2008.
20. Dezember 2007
Der Tag fängt mit einer interessanten Ankündigung im Soester Anzeiger an: „Heute Fernsehbeitrag zur THTR-Studie“. Die Anwohner des Lippetals wissen also schon Bescheid, dass das WDR-Filmteam aus dem Studio Dortmund heute kommt. Inzwischen ist das Thema in aller Munde. Der Soester Anzeiger schreibt: „Sowohl auf Landesebene als auch auf kommunaler Ebene wird von unterschiedlichsten Gruppen und Parteien mittlerweile die Forderung erhoben, das Kinder-Krebsrisiko an den NRW-Atomanlagen ebenfalls zu untersuchen.“
Das WDR-Team dreht am THTR in Uentrop, wo die BI Umweltschutz Hamm fordert, dass die Störfälle von vor 20 Jahren noch einmal genau untersucht werden sollten. Der Bürgermeister von Lippetal Susewind (CDU) wiederholt im Fernsehfilm die Forderung des Rates nach einer Studie für den THTR und Umgebung. Besonders wichtig ist der Wortbeitrag des Lippborger Apothekers, der auf die damaligen radioaktiven Freisetzungen hinweist und anmerkt: „Die Krebsrate ist schon erstaunlich. Das ist ein Zeichen für sich.“ Mehrere Interviewpartner sagen deutlich vor der Kamera, was sie von den Stellungnahmen der Vereinigten Elektrizitätswerke (VEW) zu dem Störfall halten: „Das sind alles Lügen!“
Und was tut der Hammer Oberbürgermeister Hunsteger-Petermann (CDU), der extra zum Interview ins Studio Dortmund kam? Etwas widerwillig schließt er sich dem Wunsch des Lippetaler Rates an, um gleich anschließend ein paar Nebelkerzen zu werfen, hinter denen er sich wieder zurückziehen kann: „Die Zahlen der Krebsfälle in den letzten Jahren sind in Hamm eher unterdurchschnittlich.“ Nur zur Information: Ein Krebsregister gibt es in NRW erst seit 2005!
Die agile WDR-Moderatorin kontert: „Sie geben also Entwarnung für Hamm, ohne vorher Wissenschaftler gefragt zu haben? Was wollen Sie im Einzelnen unternehmen? Sie sagen, da schreiben wir nächstes Jahr mal so einen Brief...?“ - Der OB, der ansonsten in der Lokalpolitik recht einfallsreich seine Visionen zum Besten gibt, bleibt hier auffällig bescheiden: Jetzt will er zwei Briefe an die beiden zuständigen Ministerien schreiben.
Die Moderatorin hakt nach und fragt nach den erhöhten Bequerelzahlen von 1986. Hunsteger-Petermann antwortet: „Das kann ich nicht beurteilen, ich bin kein Wissenschaftler.“ Die Moderatorin: „Sie sind aber der Oberbürgermeister!“ Dieser beteuert erneut, dass es in Hamm kein erhöhtes Krebsrisiko gäbe und verweist „auf jährliche Messungen seit 2000 oder 1997“. Oder vielleicht sollte sich der OB doch etwas genauer informieren, wie und wann das war?
Zu den Störfällen von 1986 befragt, kommt von ihm nur ein nebulöses „ob das noch aufklärbar ist, das kann ich nicht beurteilen“. Die Moderatorin gibt sich damit nicht zufrieden und fragt: „Also das, was rund um den Reaktor passiert ist, ist das für Sie kein großes Thema, habe ich Sie da richtig verstanden?“ Darauf der letzte Satz des genervten OBs: „Ich möchte eine objektive Aufklärung haben...“ – zu der er offensichtlich so wenig wie möglich beitragen will, damit diese endlich in die Wege geleitet wird.
Er verhielt sich bei dem Interview wie ein störrischer Esel und das, obwohl seine Parteifreunde aus dem Lippetal ihm vorgemacht haben, wie es hätte sein können. Aber vielleicht hätte er bei einem atomkritischeren Verhalten Ärger mit dem Hammer Atomlobbyisten und Parteifreund Laurenz Meyer bekommen?
Die Hammer Bürger, die ihren Oberbürgermeister sonst immer nur als einen milde Gaben verteilenden Strahlemann kennengelernt hatten, werden sich die Augen gerieben haben.
26. Dezember 2007
Es ist der zweite Weihnachtstag und zwei ereignisreiche Wochen, die viel in Bewegung gesetzt haben, liegen hinter uns. Wer von uns hätte gedacht, dass der Störfall von 1986 und seine Folgen in dem Bewußtsein so vieler Menschen noch sehr stark präsent ist?
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm will aber nicht so lange warten, bis der störrische Oberbürgermeister irgendwann mal im nächsten Jahr aktiv wird. Sie schreibt heute noch dem Bundesumweltminister Sigmar Gabriel einen Brief. Neben den hier schon genannten Forderungen und Argumenten geht es um einen weiteren Aspekt. Wir zitieren:
„Es ist nicht nachvollziehbar, dass für die Weiterentwicklung und Forschung an der THTR-Linie auch jetzt noch in der BRD viel Geld ausgegeben und viel Aufwand betrieben wird, während die gesundheitsgefährdenden Folgen der alten nuklearen Hinterlassenschaft in der Umgebung des THTRs ignoriert und nicht näher erforscht werden! Besonders absurd ist diese Unterlassung vor folgenden Hintergründen:
1. In diesem Jahr wurde Professor Antonio Hurtado an die Universität Dresden berufen, um an der Weiterentwicklung von Hochtemperaturreaktoren und Generation IV-Reaktoren zu forschen.
2. In diesem Jahr wurden an der RWTH Aachen und im Forschungszentrum Jülich insgesamt vier Forschungsstellen und Professuren eingerichtet, die ebenfalls zum Teil an der HTR-Linie forschen.
3. Im Rahmen der von der BRD mitfinanzierten EU-Programme (RAPHAEL und andere) werden seit Jahren viele Millionen Euro in bundesdeutschen Forschungsinstitutionen ausgegeben, um den THTR als Teil der Generation IV weiterzuentwickeln.
4. Viele bundesdeutsche Firmen stellen mittlerweile Teile und Komponenten für den THTR in Südafrika her, der insbesondere als Exportprodukt für Schwellenländer vorgesehen ist. Eine gründliche wissenschaftliche Aufarbeitung der strahlungsrelevanten Folgen des alten Prototyps in Hamm-Uentrop ist unserer Meinung nach unerlässlich, bevor diese Technik in großem Stil in viele andere Länder exportiert wird!“
In den folgenden Tagen sind noch mehrere Meldungen im WA und ein sehr langer Artikel im „Wochenblatt“ ( 2. 1. 2008) erschienen und haben die Problematik aufgegriffen.
Die wesentlichen grundsätzlichen Gefahrenpunkte und die sich daraus ergebenden sinnvollen Handlungsoptionen für die Umgebung des THTR wurden übrigens schon vor fünf Jahren im THTR-Rundbrief benannt:
„Die mehrjährigen vielschichtigen Probleme mit dem Kugelbruch im THTR machen zumindest eines sehr deutlich. Es kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass ähnlich wie es jetzt im Fall Hanau und Geesthacht bekannt geworden ist, Kugelbestandteile oder sogar PAC-Kügelchen aus dem Reaktor entwichen sind. Da die PAC-Kügelchen nach außen zunächst keine starke Strahlung abgeben, konnten sie damals mit den herkömmlichen Meßmethoden auch nicht bemerkt werden. Heute den Nachweis von radioaktiven Stoffen außerhalb des Reaktors zu erbringen, wäre relativ aufwendig. Mögliche PAC-Kügelchen müssten mit Hilfe eines orientierenden Messprogramms aufgespürt werden. Zusammen mit vertiefenden Untersuchungen wäre dies relativ teuer und müsste vom Land NRW finanziert werden.“ (Nr. 82, April 2003)
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